Schattentänzer
Irgend jemand namens Lubbock hat sie geschickt, um ein Buch bei mir zu suchen.«
Er runzelte die Stirn. Diese Kunst beherrschte er ebenfalls. Sein Gesicht verwandelte sich in eine Kraterlandschaft. »Dieser Kerl, der Miss Tinnie niedergestochen hat …«
»Ja.«
»Irgend etwas geht hier vor.« Noch ein Genie. Bei mir zu Hause gibt es ein ganzes Nest davon.
»Ja.«
»Werden Sie der Sache nachgehen?«
»Vielleicht.« Ich hatte nicht viele Hinweise. Die Welt steckt voller Geheimnisse. Mußte ich sie alle lösen? Ohne daß mich jemand bezahlte? Aber ich fragte mich, warum Winger ausgerechnet zu mir gekommen war.
Jemand klopfte an die Vordertür. Es wurde Zeit, umzuziehen. Zu viele Leute kannten meine Adresse. »Das ist Mr. Zarth«, sagte Dean.
»Das kannst du von hier aus sehen?«
»Ich kenne sein Klopfen.«
Klar. Natürlich tat er das. Aber warum sollte ich mit ihm streiten? Sollte er doch seine kleinen Phantasien haben. Ich ging in den Flur … »Heh!« Das war Eierkopf. Im Haus. »Wer hat dich reingelassen?«
Er wirkte selbst etwas verwundert. »Sie ist aufgegangen, als ich geklopft habe.« Er starrte die Tür an, als würden ihr gleich Reißzähne wachsen.
Das konnte nicht sein. Ich hatte sie selbst abgeschlossen. Das ist Regel Nummer Eins. Draußen auf den Straßen laufen Leute herum, die dumm genug sind, hereinzukommen. Die sogar dumm genug sind, sich um den Toten Mann keine Gedanken zu machen. Ich hatte gerade so jemanden weggeschickt.
Ich dachte eine halbe Minute darüber nach, bis mir etwas dämmerte. »So ein Mist!« Eierkopf runzelte erstaunt die Stirn. Ich rannte ins Wohnzimmer und sah nach.
Mein Gast war verschwunden. »Dean!« Ich hatte sie während meines Joggens und dem gemütlichen Zusammensein mit Winger schlicht vergessen.
»Mr. Garrett?«
»Etwas fehlt.« Ich deutete aufs Wohnzimmer. »Und Eierkopf hat gesagt, die Vordertür stand offen.«
Dean war entsprechend verblüfft. Er ging in das Zimmer und sah sich um, ob alles da war. Als wäre es sein eigenes Zeug. »Eine Decke ist weg.«
Sie mußte irgend etwas überwerfen. Man muß sich zwar Mühe geben, wenn man in TunFaire auffallen will, aber wenn eine schöne Rothaarige nackt herumläuft, funktioniert es.
»Was ist los?« wollte Eierkopf wissen.
»Da fragst du mich zuviel. Dean, bring Mr. Zarth ein Bier. Ich muß mich mit dem Toten Mann unterhalten.«
Dean scheuchte Eierkopf in die Küche. Ich besuchte meinen Dauergast, der schlechte Laune hatte. Das spürte ich, ohne daß er auch nur ein Wort dachte. Sein Normalzustand. »Was ist dir denn plötzlich über die Leber gelaufen?«
Du hast versäumt, mir von der Besucherin zu erzählen, die verschwunden ist.
»Warum hätte ich das tun sollen?« Er wußte doch von allen, die kamen und gingen.
Er war so gereizt, daß er nicht lange herumredete . Ich habe ihre Anwesenheit nicht wahrgenommen. Das ist beispiellos. Ich hätte nicht gedacht, daß so etwas möglich ist. Er versenkte sich in sein Inneres und suchte nach einer Erklärung für das Unmögliche.
Er war gereizt? Ich war außer mir. Ich stand kurz vor einer Panik. Irgend jemand konnte kommen und gehen, wie er wollte, ohne daß ich gewarnt wurde?
»Das klingt nicht gut, Mr. Garrett«, sagte Dean von irgendwo hinter mir.
»Du bist nicht nur ein Genie, sondern auch noch ein Meister der Untertreibung.« Ich überlegte. »Sie kann noch nicht viel Vorsprung haben. Sie fällt überall auf. Ich sollte sie besser verfolgen.«
»Wen verfolgen?« fragte Eierkopf. Also erklärte ich es ihm.
»Nackte Frauen fallen dir einfach mit der Tür ins Haus?« spottete er. »Wie machst du das bloß? Mir passiert sowas nie.«
»Du lebst nicht richtig. Aber wir haben keine Zeit, hier zu sitzen und zu plaudern.«
»Wir? Hast du Hummeln im Hintern?«
»Du wärst beeindruckt. Das heißt, wenn du sie jemals gesehen hättest. Stell dir Tinnie vor, mit etwas mehr Holz vor der Hütte.«
»Ich hatte sowieso nichts weiter vor. Auf geht’s.«
Aber dieser kleine Mistkerl von einem Gott, der für Garretts Angelegenheiten abkommandiert ist, hielt nichts davon, daß ich Rothaarige jagte. Er hatte überhaupt keinen Sinn für Proportionen.
9. Kapitel
Vielleicht wollte er auch nur meine Beine schonen. Er lieferte mir die Nächste frei Haus.
Dean wartete an der Tür. Er hatte uns herauslassen wollen, als es klopfte. Jetzt stand er ratlos neben der Tür. »Was haben wir denn da?« fragte ich.
»Noch eine Frau.«
Ich öffnete und betrachtete
Weitere Kostenlose Bücher