Schattentänzer
es sein muß.«
Erneut flackerte Ärger in ihrem Blick auf. »Die Schlange hat ein Buch verfaßt. Das Buch der Träume oder das Buch der Schatten. Der Baron glaubt, daß sie fast ihre ganze Zauberkraft hineingelegt hat. Er war der Meinung, daß er sie aus der Burg vertreiben könnte, wenn er das Buch in die Hand bekäme. Daraufhin befahl er seinen Männern, es zu stehlen. Sie warteten, bis sie einmal nicht aufpaßte, und schnappten es sich. Es gab einen Kampf. Fast alle Männer des Barons wurden getötet. Aber auch viele Wächter der Schlange. Ein Mann namens Holme Blaine entkam mit dem Buch, aber er brachte es nicht dem Baron. Sondern er floh damit nach TunFaire. Der Baron hat mich geschickt, um es wiederzuholen, denn ich war die einzige, der er vertraute. Als ich herumgefragt habe, wer mir helfen könnte, tauchte Ihr Name auf. Ich beschloß, einen Versuch zu wagen, und da bin ich. Aber ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht.«
Ich hatte das dumpfe Gefühl, daß sie mir keineswegs die Wahrheit und nichts als die Wahrheit erzählte. Aber der Tote Mann würde sicherlich das eine oder andere Detail nachreichen können. »Warum sind Sie zu mir gekommen?«
»Ich wollte, daß Sie das Buch der Träume suchen.«
Klar. Ich sah Eleanor an. Sie starrte unbewegt zurück. Du bist nicht gerade eine große Hilfe, Zuckerpüppchen. Erneut sah ich die Rothaarige an. Verdammt, sie war wirklich heiß. »Wer hat versucht, meine Freundin zu töten? Und aus welchem Grund?«
»Vermutlich die Gefolgsleute der Schlange. Ich weiß, daß sie hier sind. Ich habe sie gesehen. Haben Sie sie auch gesehen?«
Ich beschrieb sie sorgfältig.
»Der Mann mit dem Schnurrbart könnte Elmore Flauntz sein. Selbst seine Freunde würden nicht um ihn trauern. Der Rattenmann könnte Kiem Messerwurf sein. Er ist noch widerlicher als Flauntz. Der Riese könnte Zacher Hoe sein, ein Jäger und Spurensucher. Aber die Schlange hat auch andere Riesen. Die Zwerge … Ich weiß nicht. Sie hat Dutzende in ihren Diensten.«
»Na ja, das ist immerhin ein Anfang.« Ich hoffte, daß der Tote Mann sie auseinandernahm.
Die Rothaarige knetete ihre Finger. Das sieht man nicht oft, schon gar nicht bei jungen Menschen. Der einzige Mensch, von dem ich das kenne, ist Dean. Es wirkte einstudiert. »Werden Sie mir helfen, Holme Blaine zu finden, Mr. Garrett? Helfen Sie mir, das Buch der Träume wiederzubeschaffen? Ich bin verzweifelt.«
Allein und verzweifelt, getrieben von finsteren Mächten. Die beste Art, Garrett einzuwickeln. Nur leider konnte ich ihre Verzweiflung nicht spüren. Die Ernüchterung kam so schnell, daß ich Mühe hatte, Rotschopf weiter glaubwürdig anzuhimmeln. Umgarn sie weiter, Garrett, sagte ich mir. Was hast du zu verlieren?
»Ich habe selbst genug Probleme. Aber wenn ich zufällig über Ihr Buch stolpere, heb ich’s auf.«
Sie warf mir einen Blick zu, der fast mein Rückgrat geschmolzen hätte, und das, obwohl ich eben meinen Zynismus wiedergefunden hatte. Am liebsten hätte ich Dean und den Toten Mann auf die Straße gesetzt. Sie zog einen kleinen Rehlederbeutel hervor und holte fünf Silbertaler heraus. »Ich brauche noch ein wenig zum Leben, während Sie das Buch suchen, Mr. Garrett. Tut mir leid. Mehr kann ich Ihnen nicht geben. Das ist alles, was wir zusammenkratzen konnten. Die Schlange hat sich des ganzen Silbers bemächtigt, das sie finden konnte.«
Silber war selten geworden, seit Glanz Großmond die Minen des Cantard in seiner Gewalt hatte. Ich wollte schon sagen, daß sie sich nicht zur Bettlerin machen mußte. Der Trottel in mir war hellwach und obenauf.
Nimm es!
Der Tote Mann gibt sehr selten direkte Befehle außerhalb seiner vier Wände. Wenn er es tut, widerspreche ich grundsätzlich nicht. Seine Gründe halten normalerweise jeder Kritik stand. Aber daß er sich einmischte, störte meine Konzentration. Ich hätte der Frau noch hundert Fragen stellen sollen; statt dessen sagte ich: »Ich habe einen Freund, der Sie sicher zu Ihrer Bleibe bringt.« Eierkopf war bestimmt irgendwo in der Nähe.
Sie stand auf. »Das ist nicht nötig.«
»Ich glaube schon. Ein Messer hat schon sein Ziel gefunden. Vermutlich galt der Anschlag Ihnen. Mittlerweile sollten die Leute, die den Mord in Auftrag gaben, wissen, daß sie sich geirrt haben. Verstehen Sie?«
»Ich glaube schon.« Erneut wirkte sie gereizt. »Danke. So etwas ist mir neu. Ich erwarte eigentlich nicht, daß Leute sich so benehmen.«
Wirklich nicht?
Sie war gut. Das mußte ich
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