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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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nicht, dass sie das Foto finden würden …«
    »Ja, wirklich, was für ein zuckersüßes Foto!«
    … und der altersschwache Motor rattert …
    »Was meinst du?«
    »Na, das Foto, das sie in der Brieftasche gefunden haben …«
    »Ja?«
    »… zeigt dich als kleines Baby, als Säugling. Mein Gott, wie süß du warst!«
    »Als Säugling?«
    … und der altersschwache Motor rattert …
    »Und ist dir die andere Sache nicht aufgefallen?«
    »Was?«
    »Ist dir nicht aufgefallen, dass sie nur einen einzigen Gegenstand in der Brieftasche des Toten gefunden haben?«
    … und der altersschwache Motor rattert und macht ohrenbetäubenden und …
    »Woher wissen Sie dann, dass es die Brieftasche des Toten ist?«
    … ganz und gar ungesunden Lärm …
    »Und überall diese Gläser.«
    … und der Untergang wäre …
    »Gläser?«
    »Die Gläser, über die du gestolpert bist, die Honiggläser, überall war Honig, mein Süßer, der Typ hat ja sogar, während er mit uns gesprochen hat, Honig in sich reingestopft, Honig an den Wänden, an den Stühlen …«
    … eine Frage der Zeit …
    »… spürst du nicht, wie wir kleben … Spürst du denn gar nichts mehr, wenn du weiter so an mir klebst, geht das nicht gut, verstehst du?«
    … wenn nicht ausgerechnet ich an Bord wäre, denn obwohl Mara jetzt meinem Bewusstsein entgleitet, wird dieser Kahn in meinem Beisein niemals untergehen.

8
    Eine einfache, nicht zu beantwortende Frage:
    Das Mädchen heißt Sandra und ist meine Tochter. Die Frau heißt Vera und ist meine Frau. Der weiße, saubere Bungalow hat 162 Quadratmeter Wohnfläche und ist zur Hälfte abbezahlt. Der bunte Garten wird von einem großen Ahornbaum dominiert und besteht ansonsten aus gemähtem grünem Rasen und gepflegten Blumenbeeten. Die Grundfarben der Beete sind Rot, Gelb und Braun. Der Nachbar, der mir zuwinkt, wenn ich nach Hause komme, heißt Mikelsen und stammt aus Dänemark. Mikelsens Frau sitzt zu dieser Zeit im Jahr, es ist Sommer, meistens in einem weißen Bikini auf der Terrasse und sonnt sich.
    Sandra, meine Tochter, ist acht Jahre alt, aber nicht mehr lange, denn heute hat sie Geburtstag. Um halb sieben an diesem Morgen steht Sandra auf, um halb acht fährt der Bus zur Schule. Sandra ist hellwach und pustet in zwei Zügen die neun Kerzenflammen von der Torte. Dann schneidet sie sich ein besonders großes Stück ab und mampft mit den Fingern, bis die Schokolade ihre Lippen bedeckt.
    Sie lacht mir in die Augen.
    »Geschenke auspacken«, sagt sie und zerrt Vera und mich ins Wohnzimmer, wo die Pakete bereitliegen. Sandra packt die Geschenke auf ihre ganz eigene Art aus. Sie hält zunächst jedes Paket ans Ohr, als könne sie hören, was drin ist, dann starrt sie es einige Sekunden an, und dann reißt sie innerhalb weniger Sekunden alles auseinander, bis das Papier in Fetzen vor ihr und das Geschenk in ihren Händen liegt.
    Das wichtigste Geschenk ist ein unauffälliges, und wie Vera und ich vorausgesehen haben, nimmt Sandra es kaum wahr. Am Ende vergisst sie, es auszupacken, Vera weist sie lächelnd darauf hin. Es ist ein Briefumschlag, in dem ein weinrotes Tuch liegt. Sandra starrt verständnislos, Vera sagt: »Moment«, und ist schon bei ihr.
    Sie verbindet ihr mit dem Tuch die Augen.
    »Komm«, sagt Vera und nimmt Sandra an der rechten Hand, ich nehme die linke, wir gehen gemeinsam durch den Flur, und Vera öffnet die Haustür. Ich spüre einen warmen, frischen Lufthauch und denke, dass es ein heißer Tag werden wird und dass ein Morgen im Sommer etwas Wunderbares ist. Vera reißt Sandra das Tuch von den Augen, und Sandra starrt auf das Bild, das sich ihr bietet, nicht fähig, etwas zu sagen, es scheint eine Ewigkeit zu vergehen.
    Ich werfe einen schnellen Blick auf Vera, ich sehe, wie sie Sandras Sprachlosigkeit, wie sie diese Ewigkeit genießt. Ich nicke dem jungen Mann zu, der geduldig schon eine ganze Weile den Zügel hält, und als ich wieder Veras Augen suche, erwidert sie mein Lächeln, und Sandra schreit: »Ein Pferd, ein Pferd, ein Pferd!!«
    Der Himmel ist blau, der Himmel ist blau, der Himmel ist blau.
    Einfach, nicht zu beantworten.
    So sieht Glück aus. Perfektes Glück, meine ich, nicht zu steigern. So sieht es aus, wenn Sandra mit einem zu großen Reithelm in ihrem Nachthemd auf einem Pferd sitzt.
    »Und jetzt reite ich zur Schule«, sagt sie und lacht über Vera, weil Vera ein entsetztes Gesicht macht.
    »Am Abend fahren wir auf den Reiterhof. Gleich nach deiner Party«, rufe

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