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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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schwachsinnige Geschichte erzählt habe … Mara … Sie hatte so einen rosaroten Rucksack … In der Nacht gab es einen Hagelschauer … Und genau, du hast dann am nächsten Morgen gesagt, die hätte doch sowieso fettige Haare gehabt …«
    »Ja, ja … dunkel«, sagt mein Kompagnon.
    »Ja … Fiel mir gerade ein … Ich glaube, als ich eben weggetreten war, ist sie kurz in meinem Traum gewesen.«
    »Aha … ja … dunkel …«, sagt mein Kompagnon.
    »Bis morgen.« Ich wende mich ab. Etwas passiert mit mir, ich weiß noch nicht, was.
    Im Flur sitzt Eva am Helpdesk hinter Topfpflanzen.
    »Bis morgen«, sage ich zu Eva.
    »Bis morgen«, sagt sie.
    »Doch, doch … dunkel zwar, aber …«, ruft mein Kompagnon mir nach.
    Ich gehe über den Parkplatz zu meinem Wagen. Mir ist schwindlig und übel. Die Luft ist klar. Meinen Arm kann ich nur mit Mühe bewegen, aber ich bilde mir ein, dass es schon etwas besser wird.
    Ich werde jetzt zum Reiterhof fahren und Sandra abholen. Vera wird überrascht sein. Die beiden werden sich freuen.
    Durch die Glaswand betrachte ich noch eine Weile die Rückenansicht meines Kompagnons, der einen Regenbogen betrachtet.

27
    Ich setze mich in meinen Wagen und fahre los. Ich lasse die Tankstelle links und mein Büro rechts liegen, ich steuere auf den Regenbogen zu und erinnere mich an den Morgen, an dem Mara nicht mehr da gewesen ist:
    Wir standen in einem kleinen Laden, der vollgestellt war mit buntem Kram. Plastikschläger, Soft- und Volleybälle, Surfbretter, Fahrräder, Grußkarten, Postkarten, Paddelboote. Ich trug ein T-Shirt mit dem Logo eines Sportartikelherstellers und Bermudashorts.
    Ich fror ein wenig, auf den Straßen lagen noch Reste des Hagelschauers, aber ich spürte schon, dass es bald sehr heiß sein würde, wie an jedem dieser Tage.
    Wir standen eine Weile in dem Laden herum und kauften schließlich einem unserer Freunde, der an diesem Tag Geburtstag hatte, ein rotes Paddelboot mit einem grünen Ruder aus Kunststoff.
    Dann liefen wir zu unseren Zelten zurück, setzten uns neben unseren blauen Bus und aßen wie an jedem dieser Tage Baguette mit klebrigem Honig. Es war windstill, und es wurde jetzt schnell wärmer. Wir saßen eine ganze Weile, ohne viel zu reden. Ich fühlte mich wohl, obwohl ich traurig war. Ich dachte nicht darüber nach, aber hätte mich damals jemand gefragt, hätte ich geantwortet, dass es immer so weitergehen würde.
    Irgendwann nahm unser Freund sein Schlauchboot und sein Plastikruder und rannte auf das Wasser zu. Er paddelte wie ein Irrer und lachte. Er schrie vor Lachen.
    »Supergeschenk«, rief er, er war so weit rausgepaddelt, dass wir ihn kaum noch verstanden. Meine Freunde warfen sich ins Wasser und schwammen ihm entgegen.
    »Komm schon! Die hatte doch eh fettige Haare!«, rief einer mir zu, aber ich blieb am Ufer stehen und sah, wie das Paddelboot mehrfach den Besitzer wechselte, bis jemand die Luft rausließ.
    Am Nachmittag saßen wir in unserem blauen Bus und fuhren durch die flirrende Hitze auf kein Ziel zu. Im Kassettenrekorder lief das Lied, das jeden Tag lief. Das Lied war bald darauf für lange Zeit vergessen. Unser blauer Bus musste bald verschrottet werden, und wir wunderten uns im Nachhinein, dass er mehrere tausend Kilometer ohne Panne überstanden hatte.
    Ich saß auf dem Beifahrersitz des blauen Busses und wehrte mich gegen den Schlaf, ich spürte, dass mein Kopf nach vorne kippte und dass der Schlaf gleich bei mir sein würde. Das Lied, das lange vergessen war, lief und lief, weil mein Freund am Steuer immer wieder auf Anfang spulte.
    Ich dachte eine Weile an Mara und daran, dass sie am Morgen gegangen war, ohne mich zu wecken, ohne noch etwas zu sagen, und dann kam noch ein Gedanke, und ich lächelte anscheinend, denn mein Freund am Steuer fragte mich zwischen Traum und Wirklichkeit: »Was grinst du so?«
    Ich hatte nicht mehr die Kraft zu antworten, und gelächelt habe ich damals vermutlich, weil ich kurz vor dem Einschlafen begriffen hatte, dass Mara weg war und dass beim besten Willen niemand immer wach sein kann.
    Mein linker Arm ist eingeschlafen. Ein tauber Schmerz. Im Radio läuft ein Sommerhit. Ich öffne das Fenster und strecke mit einigem Kraftaufwand den Arm in den Fahrtwind. Links und rechts fliegen Bäume vorbei. Hoch über mir hängt der Regenbogen. Es wird etwas besser.
    Nach einer Weile biege ich auf den matschigen Feldweg ab. Ich höre Pferde wiehern. Ich parke, ziehe die Handbremse an und steige aus. Ich möchte

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