Schattentag: Kriminalroman (German Edition)
auf einem gelben Brett Gestalt anzunehmen. Der Mann bändigt mit entschlossenem Grinsen hohe Wellen, bis er irgendwann das Gleichgewicht verliert und am unteren Bildrand nur noch mit einer Hand um Hilfe wedeln kann.
Ich hämmere lautlos auf die Tasten ein.
Am Ende lasse ich den Wellenreiter auftauchen, er schüttelt sich, öffnet den Mund und spuckt einen Fisch aus. Das ist eher Slapstick als Action, ein Bruch, ein Stilbruch, er gefällt mir.
Maras Hand, die über meinen Kopf streicht.
Nachmittag. Früher Feierabend. Sommertag. Sonnentag. Luftballons. Ein bunter Garten. Luftschlangen an Bäumen und Blumen und auf dem Rasen. Sandra rennt laut lachend herum. Sie ist glücklich. Ich liebe sie. Vera kocht Spaghetti und serviert im Garten.
»Mehr von der Soße, bitte«, schreien die Kinder.
Nachbar Mikelsen winkt mich zu sich an den Zaun. Er hat eine Heckenschere in der Hand, einen Sonnenhut auf dem Kopf und fragt:
»Wie alt wird denn die Kleine?«
»Neun.«
»Ho, die Zeit vergeht, ich weiß ja noch, da war sie so klein.« Mikelsen bückt sich, um es zu demonstrieren, Sandra klein wie ein Säugling, kleiner noch, Mikelsen übertreibt.
»Ja, die Zeit vergeht«, sagt Mikelsen.
»Wohl wahr«, sage ich.
»Wie wäre es mit Spaghetti?« Das ist Veras Stimme. Ich drehe mich um und sehe, wie sie den Topf in unsere Richtung schwenkt.
»Besten Dank, aber besser nicht, Sie sehen ja …«, sagt Mikelsen und fasst sich an den tatsächlich umfangreichen Bauch.
Vera lacht.
»Und du?«, fragt sie mich.
»Einen großen Teller, bitte!«
»Kommt sofort«, sagt Vera.
»Na, dann guten Appetit«, sagt Mikelsen.
»Danke«, sage ich und gehe zurück in unseren Garten. Die Kinder sind beim Zerstören der Luftballone angekommen. Vera bringt mir einen Teller voller weißer Nudeln und roter Soße.
Ich schlinge die Nudeln in mich hinein.
Mikelsen beobachtet mich.
»Langsam, du verschluckst dich ja«, sagt Vera.
»Ich muss gleich noch mal in die Firma«, sage ich.
»Kein Problem, ich glaube, die Kinder sind jetzt satt genug, dass ich sie allein bändigen kann.« Sie lächelt, ich lächle.
Wenig später bringt Vera den Nachtisch, Eiscreme und grünen, gelben, roten Wackelpudding.
»Macht’s gut!«, rufe ich den Kindern zu.
Ich werfe mein Jackett über die Schulter, und während ich Veras Lippen küsse, denke ich, dass es anders enden wird, aber nur kurz, dann gehe ich drei Stufen hinab über den Kiesweg zu meinem Wagen. Es ist warm, es ist ein schöner Abend, der Wagen springt schnurrend an und setzt mich in Bewegung.
Vera winkt, ich winke, wende mich ab.
Ich blicke durch die Windschutzscheibe ins Leere und fahre weit jenseits der erlaubten Geschwindigkeit aus meinem Leben auf ein Ziel, auf einen Tod zu.
Maras Hand, die über meinen Kopf streicht.
»Hast du die ganze Zeit auf mich gewartet?«, fragt sie.
Ein schöner Abend. Sandra hat Geburtstag.
Die Grundfarben sind Gelb, Weiß und Lila.
Gelb die Abendsonne.
Weiß das Haus, ein Hochhaus.
Viele kleine Klingelknöpfe neben rechteckigen Namensschildern, symmetrisch angeordnet. Es ergibt einen Sinn, denke ich und drücke den Klingelknopf.
»Hallo?«
»Hallo.«
Ein Summen signalisiert, dass mir die Tür geöffnet wird. Ich drücke dagegen. Der Eingangsbereich ist weitläufig, kühl und sauber. Vier Aufzüge. In einem von ihnen fahre ich nach oben.
Gelbe Ziffern zeigen die Stockwerke an. Ich fahre in den elften. Es dauert nicht lange. Ein schattiger Flur. Ich gehe langsam, aber bestimmt.
Dunkle weiße Wände. Ich werde erwartet.
Lila ist das Licht, in das ich trete, nachdem die Tür für mich geöffnet worden ist.
»Hallo, mein Schatz.«
»Hallo.«
»Setz dich doch.«
»Danke.«
»Du möchtest zu Viviana?«
»Ja.«
»Kommt gleich.«
Im Radio läuft ein Sommerhit. Ich höre ihre federleichten Schritte. Sie trägt ein zitronig gelbes Oberteil, einen zitronig gelben Schlüpfer und riecht nach Erdbeeren.
»Hallo, mein Süßer.«
»Hallo, Viviana.«
»Wie letztes Mal?«
»Wie letztes Mal.«
Viviana nickt und nimmt die Scheine. Sie lächelt, als begreife sie alles. Ich folge ihr und schaue auf sie hinab, während sie mir die Hose auszieht und zu massieren beginnt.
»Lass das. Dreh dich um.« Das macht sie.
»Zieh den Schlüpfer aus.« Das macht sie.
Ich will noch etwas sagen, aber dann trete ich hinter sie und dringe in sie ein. Sie stöhnt.
»Sei still!«, sage ich.
Als sich der Schmerz löst, spüre ich, wie stark er gewesen ist. Er wird unmittelbar
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