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Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Schattentag: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schattentag: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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abgelöst von einem anderen.
    »Gut so?«, fragt Viviana.
    Sie löst sich von mir, als ich beginne, ihren Rücken zu streicheln. Sie steht auf, streift das Kondom ab und wirft es in den Papierkorb.
    »Mach’s gut, mein Süßer. Und komm bald wieder!«
    Ich nicke und fahre mit dem Aufzug nach unten.
    Meine Jacke riecht nach Erdbeeren.
    Maras Hand, die über meinen Kopf streicht.
    »Hast du die ganze Zeit auf mich gewartet?«, fragt sie, und ich nicke.

9
    Etwas, das lange vergessen war:
    Ich höre ein Lied, das ich lange nicht gehört habe, so lange, dass ich nicht mehr wusste, es zu kennen, bis zu dem Moment, in dem sich die Melodie herauskristallisiert.
    Das Lied ist verbunden mit Gesichtern von Menschen, die ich lange nicht gesehen habe und mit denen ich eine Reise in einem blauen Bus unternommen habe, meine erste große Reise.
    Es ist Nacht, wir sitzen vor einem Lagerfeuer auf kühlem Sand am Meer. Alle sind betrunken, und ich erzähle eine wirre Geschichte, um einem Mädchen zu gefallen, das mir gefällt. Einer meiner Freunde spielt Gitarre, und ich stelle mir vor, das Mädchen zu küssen, wenn ich meine sinnlose Geschichte beendet habe, aber ich finde kein Ende, und ich weiß beim besten Willen nicht mehr, wovon meine Geschichte handelt.
    Irgendwann öffne ich die Augen, um zu sehen, wer mir noch zuhört, und ich sehe, dass alle an meinen Lippen hängen, nur das Mädchen, dem ich gefallen möchte, ist eingeschlafen. Das macht nichts. Ich stehe auf und renne auf das Wasser zu, ich lasse mich fallen, ich spüre die Nähe meiner Freunde, die mir gefolgt sind, ich höre sie lachen, ich höre mich lachen.
    Der Himmel ist schwarz, und während ich darüber nachdenke, ob auch Sterne zu sehen sind, versickert die Erinnerung in Nichts.
    Maras Atem riecht süß und frisch. Es ist angenehm kühl. Ein Ventilator surrt.
    »Es ist so heiß draußen, aber wir haben es in unserem Holzhaus schön kühl«, sagt Maras Stimme.
    »Mara …«
    »Ja?«
    »Was ist denn passiert?«
    »Du hast lange geschlafen.«
    »Wir waren auf der Fähre …«
    »… und du bist zusammengeklappt. Hingefallen, und weg warst du.«
    »Ja, ja, wir waren bei diesem Polizisten …«
    »Ich muss jetzt gehen«, sagt Mara.
    »Aber ich möchte dich etwas fragen, wegen des Polizisten …«
    »Später.« Sie küsst mich auf den Mund, so fest, dass ich meine Lippen nicht öffnen kann. Ich setze mich aufrecht und höre, wie sie sich anzieht, wie sie den Fahrradschlüssel sucht. Ich höre sie fluchen. Ein Klirren, als sie den Schlüssel findet, dann höre ich, wie sie den Reißverschluss des rosaroten Rucksacks öffnet und schließt.
    »Bis dann«, ruft sie, sie ist schon an der Tür.
    »Mara!«
    »Ja?«
    Ich warte, ich höre ihre Schritte.
    »Was ist?«, fragt sie.
    Ich sehe ihren Schattenriss im Türrahmen. Ich strecke die Hände nach ihr aus. Sie kommt auf mich zu, sie ist bei mir, ihre Hände in meinen kalt und weich. Ich taste nach der Wunde an ihrer rechten Hand.
    »Wo … Wo ist denn die Wunde an deiner Hand?«
    »Welche Wunde?«
    »Die von der Schere. Warum hast du das eigentlich gemacht?«
    »Was?«
    »Na, warum hast du dir die Schere in die Hand gestoßen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Was soll das heißen, du weißt nicht?! Du musst doch wissen, warum du dir eine Schere in die Hand stößt!«
    »Schrei nicht so.«
    »Gib noch mal die Hand!« Ich fühle Maras Haut, aber keine Wunde.
    »Sag etwas«, sagt Mara.
    »Wie bitte?«
    »Sag etwas. Irgendetwas. Irgendeinen Satz«, sagt Mara.
    »Ach so. Vielleicht: Am Waldrand liegt ein kleiner Löwe …«
    »Ich wusste, dass du diesen Satz sagen würdest!« Mara lacht. »Merkst du, wie es sich wiederholt? Wie es immer gleich ist, egal wie sehr du dich bemühst, egal, was du mir alles geben möchtest, egal, was du alles in mir sehen willst?« Sie lacht und lacht.
    »Mara, wegen des Polizisten: Das Foto, das sie gefunden haben …«
    »Lass das doch!«
    »Du musst mir glauben, dass ich den Toten nicht gekannt habe …«
    »Sei ruhig. Am Waldrand liegt ein kleiner Löwe, rekelt sich in der Sonne …«
    »Mara, verstehst du nicht …?«
    »Sprich mir nach, Idiot!«
    »Mara …«
    »Sprich mir nach: Am Waldrand liegt ein kleiner Löwe, rekelt sich in der Sonne und fühlt sich wohl, sprich mir nach, und der Himmel ist …?«
    »Ist was?«
    »Sag du es mir.«
    »Ist … blau?«, sage ich.
    »Falsch«, sagt Mara.
    »Aber wieso …«
    »Frag nicht so dumm.«
    »Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz …«
    »Und ob du kannst!

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