SchattenTod | Ein Weserbergland-Krimi
Wald vergraben. Ein junges Ding von fünfzehn Jahren. Sie hatte im Tod durch ihr Schreien und ihr Entsetzen einen hässlichen Gesichtsausruck bekommen, der nicht weichen wollte. Sie war nicht geeignet gewesen für seine Inszenierungen. Er war schließlich ein Ästhet und kein Künstler, der Horrorszenarien liebte. Sie war besser unter der Erde aufgehoben, wo sie niemand sehen konnte.
Schock in der Morgenstunde
Den frühen Spaziergängern, die ihre Hunde ausführten, war irgendwie nicht aufgefallen, dass heute etwas anders war auf dem Jetenburger Friedhof.
Erst Jan-Philipp sah die merkwürdige Tote auf dem Weg zur Grundschule. Er war ein neugieriger Junge und wollte sehen, warum die Frau da so nackig auf dem Stein lag. Warum schlief sie im Freien, es war doch noch kalt? Als er sie wecken wollte, rührte sie sich nicht. Vielleicht war sie krank? Es war bestimmt besser, wenn er seine Mutter holte oder die Frau dort ansprach, die gerade an der Kirche vorbeiging.
Was der Junge nicht begriffen hatte, erkannte die Passantin sofort mit einem Blick. Der Schreck fuhr ihr in den Magen und brachte das eben erst gegessene Frühstück in Aufruhr. Doch wichtiger war es, den Jungen von diesem schrecklichen Anblick zu erlösen. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und gleichzeitig den Jungen mit sich auf den Weg zurück.
Frühstück
Wolf Hetzer ging die Treppe hinunter in seine Küche und stellte den Kaffee an. Dann holte er die frischen Brötchen und sein Croissant von der Haustür. Im Vorbeigehen schnappte er sich noch die Schaumburger Zeitung aus dem Briefkasten. Alles war perfekt an diesem Morgen. Sogar der Nebel war auf eine besondere Weise lichtdurchtränkt. Die Sonne würde heute siegen. Er pfiff ein Lied, das ihm so in den Sinn kam, und ließ seine altdeutsche Schäferhündin in den Garten. Dass es draußen noch frisch war, störte Lady Gaga nicht. Sie kontrollierte die Grundstücksgrenzen und ließ dann beruhigt ihr Heck sinken. Anschließend öffnete Wolf ihr die Terrassentür. Sie trabte ins Haus und legte sich in ihr Körbchen.
Moni würde bald zurückkommen, hatte sie gesagt. Sie fehlte ihm so sehr. Wenn sie nicht da war, empfand er eine gähnende Leere. Vor allem vermisste er ihre Nähe und die Gespräche. Doch wie würde sie sein, wenn sie zurück war?
Hetzer schob diese Gedanken zur Seite. Er hatte sie viel zu oft gedacht. Manche Nächte waren voll von ihnen. Das waren Nächte, in denen er nicht schlafen konnte. Stunden, in denen er sich nur herumwälzte und grübelte.
Glücklicherweise riss ihn das Telefon aus seiner Gedankenmühle und lenkte ihn von sich selbst ab. Die Nummer kannte er. Konnte ihn Bernhard nun nicht wenigstens sein Frühstück in Ruhe einnehmen lassen? In einem schwachen Moment dachte er darüber nach, nicht abzunehmen, aber sein Pflichtbewusstsein siegte.
Rieke
Heute lebte Rieke in ihrer eigenen Scheinwelt. Alles hatte damals gut begonnen mit dem Klavierlehrer der Musikschule. Man hatte gemeinsame Interessen, ging anfangs sogar noch auf Konzerte. Ja, Frank begleitete sie auch mit dem Instrument, wenn sie sang. Das war herrlich und bereichernd gewesen.
Sie hatte wieder zu hoffen gewagt, dass es für sie doch ein Leben mit Liebe, Gemeinsamkeit, Geborgenheit und Achtung geben könnte. Auch ihre Kinder mochten diesen Mann, der anfangs sehr behutsam mit ihnen umging und versuchte, ein Stück heile Familie zu ersetzen, wo der eigene Vater versagt hatte.
Dass er selbst wenig Geld hatte, störte sie nicht. Er lebte von den Unterrichtsstunden seiner Schüler. Rieke entschloss sich, wieder einen festen Job anzunehmen und war beruhigt, dass Frank zu Hause unterrichtete. So war immer jemand da, wenn sie selbst nicht für ihre Kinder dasein konnte.
Doch das Blatt hatte sich nach kurzer Zeit gewendet. Aus dem herzlichen Mann wurde nach und nach ein Tyrann, ohne dass Rieke dies wahrhaben oder sich eingestehen wollte.
Es hatte schleichend begonnen und war anfangs nicht leicht zu erkennen gewesen. Kleine Kontrollen wurden manifester, Schlingen zogen sich immer weiter zu. Die Kinder hatten zunehmend Aufgaben im Haushalt bekommen, deren Erledigung er überwachte und ahndete wie ein Diktator.
Das Einzige, was sie davon mitbekam, waren die Beschwerden ihrer Tochter und ihres Sohnes. Und da war Rieke im Zwiespalt, weil sie kaum zu Hause war. Sie wog ab, dachte, die Wahrheit würde irgendwo in der Mitte liegen zwischen der Faulheit der pubertierenden Heranwachsenden und dem Übereifer eines Mannes, der eine
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