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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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besucht hatte, verstand er auch, weshalb: Ihr Haus war größer als ein Palast, in der
     Einfahrt stand ein dickes Auto, und auf einer Koppel nebenan graste ein Pferd. Im kommenden Jahr wollten sie den Sommer in
     Deutschland verbringen, und er freute sich ungemein darauf, sich in der Weite des Grundstücks seiner Schwiegereltern zu verlieren.
    Neben ihm zog Christakis einen Stuhl heran.
    »Du bist meiner Frau also entkommen?«, fragte Marios.
    »Gerade so!«, lachte er. »Ich sag dir was, Carina hat ein paar wirklich große Ideen!«
    »Wem sagst du das.«
    Georgios fuhr Marios durchs Haar und bestellte einen Kaffee für seinen ältesten Sohn. Seine Jungs hier, auf der falschen Seite
     der Straße, bei sich zu haben, machte ihn stolz. Er hatte seine Söhne gut erzogen.
    »Habt ihr schon die Nachrichten gehört?«, wollte Christakis wissen. »Da draußen herrscht das reinste Chaos.«
    Mehmet hob den Kopf und sah sich um.
    »Nicht hier.« Christakis beschrieb mit dem Arm einen großen Kreis. »Da draußen. Im Radio hieß es, dass man heute zweiunddreißig
     Explosionen in Pafos, Lemesos und Larnaka gezählt hat.«
    »Gütiger Gott!«, rief Georgios.
    »Grivas?«, fragte Mehmet. Christakis nickte.
    »Also nichts wirklich Neues«, murmelte der alte Mann.
    Nach der Wahl hatte der in Ungnade gefallene General Makarios gewarnt, dass er mit dem gleichen Terror rechnen müsse wie die
     Briten, sollte er
enosis
verraten. Doch Grivas brachte nicht einmal die Geduld auf, einen Verrat abzuwarten. Wieder setzte er die Guerillataktiken
     ein, die ihn achtzehn Jahre zuvor berühmt gemacht hatten: bewaffnete Überfälle auf Polizeiwachen, Bombenanschläge auf Politiker.
     Erbost trommelte Makarios mit der Taktischen Polizeireserve eine Hilfstruppe zusammen, die Grivas’ Pläne durchkreuzen sollte.
    »Wisst ihr, wir hätten mehr für euren Erzbischof übrig, wenn er
enosis
als legitimes Ziel komplett aufgeben würde«, brummte Mehmet.
    »Unmöglich«, flüsterte Christakis, um keinen Anstoß bei den anderen Gästen zu erregen. »Die griechischen Zyprer haben ein
     Problem mit der Junta, nicht mit Griechenland selbst. Sie ist immer noch unsere Mutter.«
    »Das wiederholt ihr ständig«, erwiderte Mehmet. »Aber manchmal muss ein Kind auch seinen eigenen Weg gehen.«
     
    Elpida las den Brief noch einmal, aber der Inhalt wurde dadurch nicht besser. Jason würde über den Sommer bei seiner Mutter
     bleiben. Er betonte mehrfach, dass es nicht seine Entscheidung war, sondern auf Drängen seines Vaters geschah. Jack war besorgt
     über die zunehmende Gewalt auf Zypern und wollte seinen Sohn um keinen Preis dieser Gefahr aussetzen. Daher würde er dieses
     Jahr nicht kommen können, und wenn die Situation sich nicht besserte, auch nicht in naher Zukunft.
    In seiner vierseitigen Schmähschrift schimpfte er in der ihm eigenen ungehörigen Art auf seinen Vater, und aus seinen wütend
     hingekritzelten Zeilen konnte Elpida Jasons Frustration herauslesen. Sie spürte seine Verzweiflung, und jedes Mal, wenn sie
     die wenigen Passagen des Briefes las, die ihrer Liebe gewidmet waren, brach es ihr aufs Neue das Herz. In Keryneia hatte Jason
     sie manchmal recht grob geneckt, aber mit der Distanz waren seine Gefühle zärtlicher geworden, und sie sehnte sich danach,
     die Worte, die er ihr nun schrieb, auch aus seinem Mund zu hören. In ihrer verzweifelten Lage wandte sie sich an ihre Mutter.
    »Nur, damit ich es richtig verstehe«, erwiderte Praxi. »Du möchtest, dass ich dich allein ins Ausland gehen lasse, damit du
     dort bei einem siebzehnjährigen Jungen und ein paar Gras rauchenden Hippies deine Zeit verbringst? Jetzt hast du wohl endgültig
     den Verstand verloren.«
    »Papa sagt, er denkt darüber nach.«
    »Er will dich nur bei Laune halten, Elpida.«
    »Aber …«
    »Kein Wort mehr. Du wirst nicht gehen, also finde dich damit ab.«
    Elpida verzog das Gesicht. Nach einer Weile stand sie auf und machte sich nützlich, wusch Kartoffeln und schälte Karotten.
     Als sie das Gefühl hatte, dass genug Zeit verstrichen war, versuchte sie es erneut.
    »Du könntest ja mitkommen.«
    »Ich habe ein Geschäft zu führen«, entgegnete Praxi, bestens vorbereitet auf eine zweite Welle durchdachter Appelle, bevor
     ihre Tochter es dann mit Dramatik und emotionaler Erpressung versuchen würde.
    »Dann kann
yiayia
mich begleiten«, rief Elpida.
    »Mich schleppst du nicht in diesen Sündenpfuhl«, schrie die alte Frau entsetzt.
    »Ach, komm schon,
yiayia
,

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