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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Figur und ihrem kinderlosen Status gestellt wurden. Maria erkannte in den Bedenken der Frauen den
     Grund für ihre Eheschwierigkeiten und machte sich fortan mit derselben Konzentration, die sie all ihren Projekten widmete,
     an die Lösung dieses Problems. Das Ergebnis war, dass Sex bei ihnen zu einem Zeugungsakt wurde, dem jegliche Sinnlichkeit
     fehlte. Für Michalakis stand nun zweifelsfrei fest, dass es ein riesiger Fehler gewesen war zu heiraten – oder zumindest,
     Maria zu heiraten. Seine Verliebtheit hatte ihn in die Irre geführt. Hinter der nach außen sichtbaren Schönheit ihrer Verbindung
     lag eine leere Leinwand: Sie hatten einfach keinerlei Gemeinsamkeiten.
    Nachdem er zu diesem traurigen Schluss gekommen war, hatte Michalakis sich zu kaltem Kaffee und Zigaretten in Zachs Café geflüchtet.
     Plötzlich wurde seine eigene Zeitung vor ihn auf den Tisch geknallt. Er hob den Kopf in Erwartung eines verstimmten Parlamentariers
     und schaute stattdessen geradewegs in die sanften braunen Augen von Savvas’ Schwester.
    »Schön zu sehen, dass Sie eine Zeitung mit Niveau lesen«, bemerkte er kühl, auch wenn sich in seinem Magen ein längst vergessener
     Knoten bildete.
    »Ich lege nur mein Gemüseregal damit aus«, erwiderte Varnavia und setzte sich zu ihm, obwohl keine Einladung ausgesprochen
     worden war. »Zumindest wird
Die Stimme
ja auf hochwertigem Papier gedruckt.«
    Michalakis zog eine Augenbraue hoch und hoffte, damit den Anschein von Lässigkeit zu erwecken. Er war nicht empfindlich, was
     seine Zeitung anbelangte; er wusste, dass sie zu einem vertrauenswürdigen Organ geworden war, das die komplexe Realität weitgehend
     unparteiisch darstellte. Doch die Tatsache, dass Varnavia versuchte, ihn zu ärgern, machte ihn ein wenig nervös. Und da ihm
     die Gegenwart dieser Frau neuen Schwung verlieh, lud er sie für die nächste Woche auf einen Kaffee ein. Nach einigen weiteren
     improvisierten Treffen wurden ihre Gespräche bei Zach zu festen Bestandteilen der Woche, bei denen es zu heftigen politischen
     Wortgefechten kam, die mit einer Prise vorsichtigen Flirtens gewürzt waren. Sie wussten beide, was sie dort hinzog, aber keiner
     von ihnen besaß den Mut, sein Verlangen in Worte zu fassen, oder die Selbstdisziplin, diesem zu widerstehen. So kam es, dass
     Michalakis und Varnavia auch gerade beisammen saßen, als der Anführer der griechischen Junta vom Kopf der griechischen Militärpolizei
     entmachtet wurde.
    Gemeinsam hörten sie mit großen Augen dem Radio im Café zu, das soeben meldete, Brigadier Ioannides habe Phaedon Gizikis als
     neuen Präsidenten von Griechenland »installiert«.
    »Installiert ist genau das richtige Wort dafür«, brummte Michalakis.
    »Ist das der Polizeichef, der Makarios den Plan vorgelegt hat, unsere türkische Gemeinschaft zu eliminieren?«
    »Ich denke schon«, antwortete Michalakis, der sich vage an das Ereignis im Jahr 1964 erinnerte, an dem Brigadier Ioannides
     und der örtliche Milizenführer Nikos Sampson beteiligt gewesen waren. »Wenn ich mich recht erinnere, hat Makarios ihn damals
     vor die Tür gesetzt.«
    »Das verheißt ja nur Gutes«, sagte Varnavia und pfiff durch die Zähne.

24
    Am 27. Januar 1974 starb Georgios Grivas. Für manche verkörperte er den Traum einer sich selbst entfremdeten Nation. Für andere
     war er ein gefallener Held, ein Uneinigkeit stiftender Anführer, der verbittert war, weil seine Pläne durchkreuzt worden waren,
     und der nicht im Kampf, sondern an Herzversagen in seinem Versteck in Lemesos starb.
    Zwei Tage nach Grivas’ Tod wurde eine Trauerfeier im Garten des Hauses abgehalten, das ihm während seines Feldzugs gegen die
     Briten zuletzt als Unterschlupf gedient hatte. Zehntausende erwiesen ihm die letzte Ehre, die Regierung beugte sich der öffentlichen
     Gefühlslage und rief drei Tage Trauer aus. Makarios nahm nicht am Begräbnis seines ehemaligen Verbündeten teil, doch Michalakis
     war dort und beobachtete ungläubig, wie Nikos Sampson vortrat und das Ereignis an sich riss.
    Der übermäßig ehrgeizige Anführer seiner eigenen Privatarmee legte sich die griechische Flagge um und schleuderte all seinen
     Zorn und seine Trauer auf Grivas’ geschlossenen Sarg. Er rief die Trauernden dazu auf, den Kampf um
enosis
fortzusetzen und den Tod des EOKA-Kommandanten zu rächen, wobei er anscheinend vergaß, dass der kleine General eines natürlichen
     Todes gestorben war. Zurück im Büro, schrieb Michalakis seinen Bericht

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