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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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Gäste fanden, um das Geschäft am Leben zu halten.
    Als Georgios Mehmet das erste Mal nach seiner Rückkehr zu einem Kaffee im Dorf einladen wollte, hatte dieser nur zögerlich
     angenommen, da er unsicher war, wo zwischen vergangenen Beleidigungen und heutiger Versöhnung die Grenze des Verrats lag.
     In solche Gedanken versunken, war er sichtlich erstaunt gewesen, als Georgios nicht das griechische Café betrat, sondern die
     Straße überquerte und das türkische Kaffeehaus ansteuerte. Auf beiden Seiten der Grenzlinie aus Asphalt reagierte man darauf
     mit schweigender Missbilligung, die mit der Zeit jedoch einem zunehmenden Desinteresse wich: Die Dorfbewohner hatten den kleinlichen
     Groll satt. Und der Cafébesitzer zeigte sich der Situation gewachsen, indem er sich mit einer kleinen Tasse Kaffee zu Georgios
     und Mehmet an den Tisch gesellte.
    »Eine Tasse Kaffee, die man gemeinsam trinkt, sichert einem vierzig Jahre Freundschaft«, erklärte er. Georgios hatte sich
     bei dieser sentimentalen Geste entspannt, während Mehmet nur die Augen verdreht hatte.
    Heute, mehr als vier Jahre später, sann Georgios darüber nach, dass er nun schon so viel Kaffee mit seinen neuen Freunden
     getrunken hatte, dass er ihnen ins nächste Leben folgen müsste, um die Prophezeiung zu erfüllen. Er gab es nur ungern zu,
     aber er wurde allmählich alt. Seine Gelenke schmerzten am Morgen, er war bedenklich kurzatmig geworden, und sein Haaransatz
     ging immer weiter zurück.
    Unterdessen eilte Mehmet forschen Schrittes seinem Lebensabend entgegen. Mehmet war Georgios allerdings schonimmer alt vorgekommen, schließlich war er einst der Freund seines Vaters gewesen. Doch in letzter Zeit trat sein fortgeschrittenes
     Alter deutlicher denn je hervor: Sein Körper war in sich zusammengesunken, und seine Finger zitterten stets ein wenig. Mehmet
     war mit seinen über neunzig Jahren wahrscheinlich der älteste Mann, den Georgios je getroffen hatte. Der Bauer genoss das
     Wunder seines langen Lebens und witzelte, dass er seinen Körper der Wissenschaft vermachen würde, wenn es nicht gegen die
     Regeln seiner Religion verstieße. Es war bemerkenswert, dass er sich auch im Greisenalter seinen Witz und seinen scharfen
     Geist bewahrt hatte – nur, wenn sie gemeinsam Schach spielten, verfluchte Georgios den Alten manchmal für seine Gerissenheit.
     Mit einem einfachen Nicken stellte Mehmet eben seine Königin vor Georgios’ letzten Läufer.
    »Schachmatt.« Nachdem er sich das Brett gründlich angesehen hatte, legte Georgios seinen König geschlagen aufs Spielfeld.
    »Mehmet hat dich erledigt, Papa.« Marios grinste. Georgios widerstand dem Drang, seinen Sohn dafür zu rügen, dass er das Offensichtliche
     feststellte.
    »Nun erzähl einmal, wie gefällt dir das Eheleben?«, fragte Mehmet keuchend, als er sich nach seinem Sieg wieder dem Gespräch
     zuwandte.
    Marios zuckte mit den Schultern. »Es ist anders.«
    »Das ist es eindeutig«, lachte der alte Mann. »Kocht sie?«
    »Ja.«
    »Wäscht sie deine Kleidung?«
    »Ja.«
    »Hält sie dein Bett warm?«
    Marios bestätigte kichernd, dass Carina sein Bett in der Tat warm hielt.
    »Dann hast du die richtige Frau ausgewählt«, folgerte Mehmet.
    »Ja, das habe ich wohl«, stimmte Marios zu. Und es entsprach der Wahrheit: Carina kochte, sie wusch, und sie war sehr warm.
     Doch das war eben längst nicht alles. Carina war einübersprudelndes Gefäß voll verwirrender Ideen und Pläne. Nach nur wenigen Monaten Ehe war Marios völlig erschöpft. Sobald
     er mit der Arbeit in der Werkstatt fertig war, legte Carina ihm Tabellen mit Zahlen vor. Meist hatte sie ein Buch voller neuer
     Aufträge in der Hand, und da er langsam und präzise arbeitete, musste er zusehen, wie er mit den Ideen seiner Frau Schritt
     halten konnte.
    In diesem Augenblick lag sie Christakis zu Hause mit Entwürfen für eine Broschüre in den Ohren. Im Gegensatz zu Marios konnte
     sich sein Bruder für Carinas große Reden begeistern. Er aber sehnte sich nach Frieden und nach der nächtlichen Wärme, von
     der Mehmet gesprochen hatte. Unglücklicherweise blieb Carinas Mund auch nach Löschen des Lichtes in ständiger Bewegung, und
     sie dachte andauernd darüber nach, wie sie das Haus seiner Eltern so schnell wie möglich verlassen konnten. Marios empfand
     nicht dieselbe Dringlichkeit wie seine Frau, da er dort sehr glücklich war. Doch Carina forderte mehr Raum für sich ein, und
     nachdem er mit ihr zusammen ihre Eltern

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