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Schattentraeumer - Roman

Schattentraeumer - Roman

Titel: Schattentraeumer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Busfield
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ihnen noch ihr den gebührenden Respekt entgegenbrachte.
    »Esst!«, befahl sie, und jeder im Raum nahm eilig eine kleine silberne Gabel zur Hand und knabberte an den klebrigen Klumpen
     herum, aus denen Sirup auf ihre Teller sickerte. Während sie schweigend aßen, teilte Dhespina Wassergläser aus.
    »Ich mag das nicht«, murmelte Elpida.
    »Psst!«, mahnte Praxi.
    »Es schmeckt wie Holz.«
    »Ich mag es auch nicht«, bekannte Loukis und zwinkerte ihr zu.
    »Also, ich find’s prima«, hielt Lenya dagegen und warf ihrer Schwester ein Lächeln zu.
    »Ich mag es!«, pflichtete Marios ihr bei.
    »Ja, wirklich gut«, fügte Georgios hinzu.
    »Die Nelken fehlen«, sagte Frau Televantos und verzog das Gesicht.
    »Da hängt was in Ihren Kinnhaaren«, setzte Elpida ihre Tischnachbarin in Kenntnis, was ihr ein weiteres »Psst!« ihrer Mutter
     einbrachte.
    »Und jetzt?«, fragte das Kind ungeduldig, und Dhespina lächelte dankbar. Elpida hatte sie soeben daran erinnert, was der ursprüngliche
     Anlass dieses ungeplanten Massenauflaufs in ihrem Wohnzimmer war: Sie hatte Zeit mit ihrer Enkelin verbringen wollen.
    Wie Georgios es einst vorausgesehen hatte, hatte sich die Wahrheit schließlich ihren eigenen Weg gesucht, um ans Licht zu
     kommen. Allerdings war das Geheimnis kaum gelüftet, da wurde bereits der Schleier der Schicklichkeit darüber gebreitet. Praxi
     hatte Loukis gegenüber zugegeben, dass er Elpidas leiblicher Vater war – Dhespina hatte wieder einmal recht behalten, wobei
     Georgios nur froh war, dass sie sich nicht eingemischt hatte. Elena hingegen war der festen Überzeugung, dass Praxi mit ihrem
     Bekenntnis die ersten Risse in einen Damm gemeißelt hatte, der früher oder später brechen und sie alle unter sich begraben
     würde.
    Angesichts der neuen Umstände hatte Dhespina Praxi und ihre Tochter zwei Tage zuvor zu sich eingeladen, nachdem sich die drei
     zufällig in der Dorfbäckerei getroffen hatten. Als Elena von Praxis Plänen hörte, bestand sie darauf, mitzukommen – zweifellos,
     um Praxi einen Maulkorb zu verpassen, sollte sie auf die Idee kommen, weitere spontane Geständnisse abzulegen. Sie hatten
     kaum Platz genommen, da kam Loukis durch die Tür spaziert und demonstrierte einmal mehr seine geradezu übernatürliche Verbindung
     zur Mutter seines Kindes, indem er unangemeldet und zu einer für ihn vollkommen untypischen Tageszeit auftauchte. Und gerade
     als Dhespina dachte, der Nachmittag könne nicht noch unentspannter oder ihr Wohnzimmer nicht noch voller werden, erschienen
     Lenya und Andreas mit ihrer Tochter Niki, um zu verkünden, dass sie ein weiteres Kind erwarteten. Kurz darauf war Marios von
     der Arbeit nach Hause gekommen. Und wie der Puderzucker auf einerPortion
loukoumia
machte zu guter Letzt Frau Televantos die spontane Runde komplett, weil sie gerade »zufällig« in der Gegend war und die Versammlung
     für eine Art Totenwache für die Opfer von Kokkina hielt.
    »Diese Bestien haben Napalm eingesetzt!«, kreischte sie. »Unsere Söhne versuchen, sie daran zu hindern, Waffen ins Land zu
     schmuggeln, mit denen Griechen umgebracht werden, und die Türkei schickt ihre Düsenflugzeuge, um dieses Teufelszeug über uns
     auszukippen!«
    Georgios reichte der alten Frau einen Schluck Brandy zur Beruhigung.
    »Nun, ich sollte ja eigentlich nicht …«, erklärte sie, bevor sie das Glas in einem Zug leerte und es Georgios für »ein kleines
     Schlückchen noch« zurückreichte. Zu ihrer Linken verschlang Praxi Loukis mit den Augen. Lenyas fragender Blick, mit dem sie
     die beiden beobachtete, entging Dhespina nicht.
    »Nun sag mal, Praxi
mou
«, begann Frau Televantos, während sie beherzt die nelkenfreien Walnüsse in sich hineinschaufelte. »Wann wirst du denn nun
     zu deinem Mann zurückkehren?«
    Neben ihrer Tochter erstickte Elena beinahe an einem Schluck Wasser.
    »Das lässt sich leider nicht abschätzen«, erwiderte Praxi vollkommen gelassen, riss ihren Blick von Loukis los und ließ einen
     Anflug von Traurigkeit über ihr Gesicht huschen. »Wie Sie ja wissen, haben wir eine gutgehende Bar, was einerseits natürlich
     ein Segen ist, andererseits aber nicht die richtige Umgebung für ein kleines Mädchen darstellt, wie Sie mir sicher zustimmen
     werden. Dieser ganze Biergestank und all die lauten Männer … Yiannis und ich haben darüber gesprochen und sind uns einig,
     dass Elpidas Wohl und Gesundheit stets an erster Stelle stehen muss.«
    »Ich mag aber Bier«, meldete

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