Schattenturm
Ballons sind für ihn.«
»Hoffentlich machst du nicht so eine Leidensmiene, wenn du ihm die Dinger schenkst.«
»Sind sie schon bezahlt?«, fragte Shaun.
»Der Gedanke scheint dich ja in Angst und Schrecken zu versetzen. Keine Sorge, deine Mutter hat die Rechnung bezahlt.«
»Meine Mutter? Ist sie hier?«, frage Shaun aufgeregt. Er verrenkte sich den Hals, um einen Blick auf den Pfad zu werfen.
Der Mann runzelte die Stirn. »Nein. Sie hat mit Kreditkarte bezahlt. Telefonisch.«
»Heute?«
»Nein. Letzte Woche.« Der Mann wies auf den Lieferwagen. »Wo soll ich sie hinbringen?«
Shaun schaute sich um, als würde er die Antwort in den Bäumen finden.
»Da drüben, zum Leuchtturm.«
Der Mann dachte nach. »Hm, ich glaube, das schaffst du auch allein. So viele sind’s ja nicht.« Er ging zum Lieferwagen und zog drei Plastikfolien heraus, die unten zusammengebunden waren und jeweils fünf mit Helium gefüllte Gasballons enthielten. Ein kleiner, blauer, mit Sand gefüllter Ballon diente als Gewicht. Herzlichen Glückwunsch zum Vierzigsten stand quer über den Ballons.
»Danke«, sagte Shaun.
»Gern geschehen«, sagte der Auslieferungsfahrer.
»Ihre Frau hat mich angelogen«, sagte Duke. Joe konnte die schallende Ohrfeige durchs Telefon hören. »Darum habe ich ihr eine Lektion erteilt.« Wieder eine Ohrfeige. »Ihre Frau wollte mir weismachen, sie wollte Sie verlassen, damit ich ihrem kleinen Shaun nichts tue. Das Miststück hat meine Intelligenz beleidigt.«
Joes Stimme war eiskalt. »Ich verstehe, Rawlins. Aber jetzt sprechen wir über Ihre Frau.«
28. STINGER’S CREEK
North Central Texas, 1991
»Du siehst hübsch aus«, sagte Vincent Farraday. »Gib mir deine Hand.« Wanda Rawlins trug ein lila Kostüm mit engem, knielangem Rock, weißen Strümpfen und weißen Pumps. Sie beugte sich tief hinunter, als sie aus dem Wagen stieg, und hielt ihren lilafarbenen Hut fest, damit der Wind ihn ihr nicht vom Kopf riss.
Wanda schaute auf die kleine Holzkirche und die Blumengirlande aus weißen Rosen über dem Eingang.
»Es ist wunderschön, Vince«, sagte sie und tupfte ihre Augenwinkel mit einem Spitzentaschentuch ab. »Ich glaube, so etwas Schönes hab ich noch nie im Leben gesehen.«
»Komm jetzt, kleine Lady«, sagte Vincent. »Genieße den Tag. Vergiss alles Schlechte.«
»Ich werd’s versuchen.«
Pfarrer Ellis trat durch den Blumenbogen und hielt sich ein Buch über die Augen, um sie vor der Sonne zu schützen.
»Wanda Rawlins. Es muss zwei Jahre her sein. Willkommen zu Hause«, sagte er und drückte ihre Hand. »Ich bin froh, Sie wohlauf zu sehen.« Sein Lächeln war warm und aufrichtig. »Ich hoffe, es ist nicht nur eine Stippvisite.«
»Ich fürchte ja, Reverend. Wir wohnen jetzt in Denison.«
»Und Sie müssen der Glückliche sein«, sagte der Pfarrer und begrüßte Vincent.
»Ja, Sir. Vincent Farraday. Freut mich, Sie kennen zu lernen.«
»Willkommen in Stinger’s Creek. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte. Ich muss den Bräutigam begrüßen.«
Duke saß hinter der Kirche und rauchte eine Zigarette.
»Hallo, Mr Rawlins. Wie geht es Ihnen an diesem schönen Tag?«
»Danke, gut, Reverend«, sagte Duke und stand auf. »Mein Anzug ist eine halbe Nummer zu klein«, fügte er hinzu und strich über den blauen Samtstoff. Als sein Blick auf die Asche auf seinem Rüschenhemd fiel, schnippte er sie mit dem Finger weg.
»Samantha wird es nicht bemerken«, sagte der Reverend.
»Keiner wird mich groß beachten«, sagte Duke. »Es ist Sammis Tag.«
Reverend Ellis führte Duke durch den Hintereingang in die Kirche und zum Altar. Duke atmete tief ein, als er seine Mutter in der ersten Reihe sitzen sah. Sie lächelte und winkte nervös. Duke ging zu ihr.
»Hallo, Mom«, sagte er. »Woher weißt du es?«
»Sammis Tante geht in meine Kirche in Denison.«
»Du gehst in die Kirche?«
Wanda errötete.
»Und du wohnst in Denison?«, fragte er.
»Das ist Vincent, mein Mann«, sagte Wanda. »Er hat mir geholfen … du weißt schon …«
Duke sah die Schuld und Angst in ihren Augen und das flüchtige Lächeln auf ihrem Gesicht und fragte sich, wie sie jeden Tag mit ihrem Wissen leben konnte. Er lächelte und schüttelte Vincent die Hand. Der Mann schenkte ihm ein breites Grinsen.
»Ist mir ein Vergnügen, mein Junge, heute hier zu sein.«
»Danke«, sagte Duke, ehe er seinen Platz am Altar einnahm. Er warf einen Blick auf die Uhr und schaute sich um. Reverend Ellis trat zu ihm. »Ich habe gerade
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