Schattenturm
einen Anruf von Donald bekommen«, sagte er. »Auf der Autobahn hat es einen Unfall gegeben. Donald sitzt fest. Er schafft es nicht rechtzeitig. Er hat gesagt, Sie haben die Ringe, und wir sollen ohne ihn anfangen. Zur Feier wird er da sein.«
Duke sah sich in der Kirche nach einer Vertretung für Donnie um. Die meisten Gäste waren von Sammis Seite. Die einzige Person, die er fragen konnte, war Vincent. Er winkte ihn zu sich.
Dann setzte die Musik ein, und die Doppeltüren auf der Rückseite der Kirche wurden geöffnet. Die schmale Hand auf dem Arm ihres Vaters, betrat Sammi an seiner Seite die Kirche. Sie hatte braunes, glänzendes Haar, und auf dem Brautkleid funkelten winzige Perlen. Der Brautvater übergab die Braut an Duke und schüttelte ihm mit verkrampftem Lächeln die Hand.
Nach der Zeremonie überquerten die Gäste die Straße und betraten die Railroad Bar – ein ironischer Name für eine Kneipe in einer Stadt, die Anfang des 19. Jahrhunderts nicht ans Schienennetz angeschlossen worden war und deshalb nie einen Aufschwung dank der Eisenbahn erlebt hatte.
Die Tanzfläche war klein. Die Paare drückten sich aneinander, damit auf dem runden Holzpodium alle Platz fanden. Die Frauen trugen enge Satinkleider mit Spitzenbesatz und hatten Mühe, auf ihren High Heels das Gleichgewicht zu halten. Die Männer trugen Anzüge mit engen Hosen oder Cowboy-Hemden und gestärkte Jeans. Sie tranken Bier und riefen der Band ihre Musikwünsche zu. Duke stand am Rand der Tanzfläche und beobachtete seine Braut. Den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, wiegte sie sich in den Hüften zur Musik.
»Alles in Ordnung?«, fragte Sammi, die sich Duke mit tänzelnden Schritten näherte. Sie kniff ihm in die Wangen und küsste ihn auf den Mund.
»Na klar«, sagte er. »Ich bin nur ein bisschen traurig, dass Onkel Bill nicht dabei ist.«
»Ich weiß, Schatz. Er muss ein sehr netter Mann gewesen sein. Ich hätte ihn gern kennen gelernt.«
»Das hätte mich gefreut«, sagte Duke. »Weißt du, Sammi, du bist die schönste Braut auf Erden. Ich werde dir immer treu sein. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe, aber wenn ein Mensch mir so viel bedeutet wie du, stehe ich zu ihm.«
Er lallte schon leicht, was Sammi nicht entging.
»Ich möchte nicht, dass du in unserer Hochzeitsnacht betrunken bist«, sagte sie.
»Keine Bange, Sammi. Ich will nicht, dass du nörgelst.«
»Solange du nicht betrunken bist. Ich werde ein Auge auf dich und Donnie werfen, falls er überhaupt auftaucht.«
Die Puderdose in der Hand, lehnte Wanda sich ans Waschbecken und hob das Gesicht zum Licht über dem Spiegel.
»Ist das hier das Zeug, für das du dich jetzt interessierst?«, sagte jemand neben ihr.
Wanda reagierte nicht.
»He, ich rede mit dir.«
»Ich habe keine Lust, mir dein dummes Geschwätz anzuhören, Darla«, erwiderte Wanda und steckte das Schminktäschchen in ihre Handtasche.
»Hältst du dich in deinem feinen Kostüm und mit deinem tollen Ehemann jetzt für was Besseres?«
»Bist du schwerhörig? Ich sagte, ich hab keine Lust, mir dein dummes Geschwätz anzuhören«, sagte Wanda ruhig.
»Du miese kleine Nutte.«
Wanda wirbelte herum, krallte ihre Hände in Darlas Haar und spuckte ihr ins Gesicht.
»Lass es sein«, zischte Wanda und drohte ihr mit dem Finger. »Heute heiratet mein Sohn.«
Donnie betrat die Kneipe und hob die Arme.
»Seht mal, wer da ist!«, rief Duke. »Du hast meine große Stunde verpasst!« Er lächelte.
»Glückwunsch«, sagte Donnie. Er schüttelte Dukes Hand und klopfte ihm auf den Rücken. »Habe ich viel versäumt?«
»Wo hast du gesteckt?«, zischte Duke.
»Offiziell? In einem Stau«, sagte Donnie. »Inoffiziell musste ich mich um diese Sache kümmern … du weißt schon. Im Wald Verstecken spielen.« Er zwinkerte Duke zu. »Ein zusätzlicher Schlag mit der Schaufel. Ah, ich erinnere mich. Tally war ihr Name.«
Duke schaute ihn an, als wäre es ihm vollkommen gleichgültig.
Sammi trat zu den beiden und klopfte Donnie auf die Schulter.
»Hi, Donnie«, sagte sie.
»Die kleine Mrs Rawlins«, sagte er und wirbelte sie herum. »Mit neunzehn verheiratet, mit zwanzig schwanger?«
»Mit so etwas sollte man nicht spaßen«, sagte Sammi und ging zu ihren Brautjungfern.
»Bring eine zu mir«, rief Donnie ihr hinterher und ging zur Theke.
»Ich musste mich entscheiden«, sagte Wanda und stellte sich neben Duke. »Und es brach mir das Herz.«
Duke drehte sich zu ihr um und starrte sie
Weitere Kostenlose Bücher