Schattenturm
war, als Donnie starb. Sie war Zeugin auf der falschen Seite der Absperrung. Sie musste ihren Namen angeben. Sie wurde durchsucht. Sie hatte einen Reisepass. Ich wette, Sie wussten gar nicht, dass Ihre Frau einen Reisepass hat. Sie war da, um Donnie zu helfen.«
»Welche Beweise haben Sie?«
»Die Akte. Ich habe sie vor mir liegen. Ihr Name steht darin.«
»Lassen Sie mich einen Blick drauf werfen.«
»Lassen Sie mich einen Blick auf meine Frau werfen.«
Als Joe aufgelegt hatte, spürte er, dass jemand hinter ihm stand. Er drehte sich langsam um. Shaun stand in der Tür, blass und zitternd.
Joe starrte ihn an. »Wie lange …«
»Wie lange was ? Wie lange du mich schon belügst?«
»Was hast du gehört?«
»Wo ist Mom?«, fragte Shaun. »Mit wem hast du gesprochen?«
»Es ist besser, wenn ich mich allein darum kümmere.«
»Wer hat sie entführt? Wo ist sie?«
»Die Einzelheiten sind nicht von Belang für dich.«
»Hast du die Polizei verständigt?«
»Nein«, gab Joe zögernd zu.
»Das ist ein Scherz, oder?«
»Nein«, sagte Joe. »Ich kann die Polizei nicht einschalten.«
»Du scheinheiliger Dreckskerl«, rief Shaun. »Wie lautet die Regel? Wenn man sie innerhalb von vierundzwanzig oder achtundvierzig Stunden nicht findet, kann man von einer Befreiungsoder Rettungsaktion kaum noch sprechen, oder?«
Joe schüttelte den Kopf. »Mein Gott, Shaun.«
»Du bringst die Leute doch dazu, jedes Mal die Bullen zu rufen.«
»Vielleicht ist es nicht immer das Beste.«
»Wenn Detective Lucchesi vor der Tür steht, bestimmt nicht.«
Joe ging nicht auf die sarkastische Bemerkung ein.
»Ich hab’s satt, Dad. Nimm den Hörer ab. Nimm ihn ab!« Als Joe nicht reagierte, streckte Shaun den Arm nach dem Telefon aus.
Joe sprang auf und stieß den Jungen zur Seite.
Shaun taumelte entsetzt zurück.
»Tut mir Leid«, sagte Joe. »Ich kann die Polizei nicht einschalten.«
»Und wenn Mom etwas zustößt?«
Joe blieb ihm die Antwort schuldig.
»Das hat mit dir zu tun, nicht wahr?«, sagte Shaun. »Jemand hat sie entführt, und das hat mir dir zu tun. Weil sie deine Frau ist … die Frau eines Cops, stimmt’s?« Er verstummte. »Zuerst Katie und dann Mom. Gibt’s da einen Zusammenhang?«
»Nein«, sagte Joe. »Beruhige dich, Shaun. Ich muss noch ein paar Dinge nachprüfen. Im Augenblick darf es niemand erfahren, weder die Polizei noch sonst jemand. Hörst du? Es ist sehr wichtig, dass wir nichts sagen.«
Die Knie an die Brust gezogen, saß Marcus Canney in der Zelle der Polizeiwache Waterford. Seine mageren Beine steckten in einer schwarzen Jogginghose; seine weißen Turnschuhe waren völlig verdreckt. Eine grüne Bomberjacke hing über seinen Schultern.
»Wir haben uns erlaubt, dein Schlafzimmer zu durchsuchen«, sagte O’Connor, als er mit einem ordentlich zusammengefalteten, kleinen weißen Päckchen in der Hand die Zelle betrat. Canney runzelte die Stirn.
»Unter den Holzdielen in deinem Schlafzimmer scheint ein Loch zu sein. Wusstest du«, sagte O’Connor und blickte auf das Kokain, »dass da über dreißig Riesen versteckt sind?«
Canney wurde blass. »Leck mich«, sagte er.
»Dafür habe ich keine Zeit«, sagte O’Connor.
»Das ist aber das erste Mal.«
O’Connor verdrehte die Augen. »Sag mir einfach, woher du das Zeug hast. Und warum du vor zwölf Monaten nicht hier gesessen hast.«
Canney warf ihm einen kurzen Blick zu.
»Ich weiß«, sagte O’Connor. »Es gibt einen guten Grund, warum wir dich bisher nicht geschnappt haben. Und darum haben wir heute Morgen auf dich gewartet.«
Duke drehte sich lachend zu Anna um. »Ihr Mann hält mich für einen Trottel«, sagte er und tippte seine eigene Rufnummer in Annas Mobiltelefon ein. Er wollte gerade eine Nachricht hinterlassen, als ihm bewusst wurde, dass die Automatenstimme sagte: »Kein Anschluss unter dieser Nummer …«
Duke legte auf, überprüfte die Rufnummer und wählte erneut. Wieder vergeblich. Er klopfte seine Jacken- und Hosentaschen ab. Dann schweifte sein Blick durchs Zimmer und blieb auf Anna ruhen.
»Wo hab ich nur mein Messer gelassen?«
Mit einer leeren Aktenmappe unter dem Arm, lief Victor Nicotero durch den gepflegten Garten vor dem Haus des verstorbenen Polizeichefs Ogden Parnum. Er reckte sich, damit die Anzugjacke richtig saß, und streckte die Hand nach der Klingel aus. Doch bevor er den Knopf drücken konnte, wurde die Tür geöffnet, und eine hübsche Blondine Ende vierzig stand vor ihm.
»Wer sind Sie?«
»Delroy
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