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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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schwieg dann aber.
    Joe huschte leise durch das Tor von Shore’s Rock und schüttelte den Kopf, als Anna ihm entgegenkam. Er nahm sie in die Arme, und einen Augenblick hielten sie einander umschlungen. Dann stiegen sie gemeinsam die Stufen zu Shauns Zimmer hinunter.
    Martha Lawson schrie, bis ihre Kehle wund war. Sie sank auf den Boden der Diele, presste sich die Hände auf die Ohren und stammelte immer wieder: »Nein, nein, nein …«, wobei sie herzzerreißend schluchzte.
    Frank Deegan, O’Connor und Superintendent Brady hatten noch kein Wort gesagt. Besonders Frank war von Marthas Schmerz zutiefst erschüttert. Er beugte sich zu der verzweifelten Frau hinunter, legte ihr behutsam einen Arm um die Schultern und half ihr auf. Dann führte er sie ins Wohnzimmer und bettete sie auf die Couch.
    »Würde einer von Ihnen Tee kochen?«, sagte er. O’Connor nickte und verschwand in der Küche.
    »Ich will keinen Tee!«, schrie Martha und schlug eine Hand vor den Mund. »O Gott!«, presste sie hervor. »Warum Katie? Warum meine Tochter? Wo ist sie? Wo habt ihr sie gefunden?«
    »Im Wald«, erklärte Brady ruhig. »In der Nähe von Shore’s Rock.«
    »Aber … ich dachte, da hätten Sie schon gesucht.«
    »Das haben wir«, sagte O’Connor. »Aber offenbar nicht tief genug im Unterholz. Es ist schwierig, dorthin zu gelangen.«
    »So schwierig wohl auch wieder nicht, wenn Katie da liegt!«, schluchzte Martha. »Großer Gott! Was hat sie da gemacht? Was ist mit ihr geschehen? Ist sie gestürzt? Hat sie … wurde sie …«
    Martha verstummte.
    »Wir wissen noch nichts Genaues«, sagte Brady leise. »Die Gerichtsmedizinerin …«
    »… Dr. Lara McClatchie wird im Laufe des Tages eine Obduktion des Leichnams vornehmen«, beendete Martha den Satz. »Ich kenne den Wortlaut. Ich habe es in den Nachrichten gehört. Und ich habe gedacht: ›Mein Gott, die arme Familie.‹ Und jetzt trifft es mich selbst! Die arme Familie bin ich !« Sie erhob sich von der Couch, eilte in die Diele und zog eine von Katies Jacken vom Garderobenständer. Im nächsten Moment riss sie die Haustür auf und taumelte hinaus in die Dunkelheit. »Ich muss zu ihr«, rief sie verzweifelt.
    Die Männer waren für einen Moment wie benommen; dann lief O’Connor ihr hinterher, doch er brauchte sich nicht zu beeilen: Martha kniete im Garten und drückte sich Katies Jacke an die Brust, während der Nieselregen auf ihr Nachthemd fiel.
    Am nächsten Morgen um neun Uhr begann der Run der Dorfbewohner in den Wald. Die Schaulustigen parkten ihre Autos hinter der Absperrung und gingen zu Fuß weiter. O’Connor hatte einen jungen, kräftigen Polizisten am Absperrband postiert. Der Beamte nahm die Blumensträuße und Teddybären entgegen, die viele Leute abgaben, um ihr Mitgefühl zu bekunden. Anschließend drängten Kameramänner und Pressefotografen vor, um den Leichnam zu fotografieren und zu filmen.
    Richie kehrte der Eingangstür der Wache den Rücken zu und strich sich fahrig übers Gesicht. Fast die ganze Nacht hatte er den Leichnam bewacht, bis er von einem Polizisten aus Waterford abgelöst worden war.
    Als er nun Schritte hörte, drehte er sich um und sah eine Frau mit braunem Haar. Richie staunte über ihre Größe. Die Frau war über eins achtzig. Sie trug flache, khakifarbene Turnschuhe mit schwarzen Schnürsenkeln. Dank ihres gesunden, hellen Teints, den dichten Brauen und den vollen Lippen sah sie durchaus attraktiv aus. Sie war nicht geschminkt. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    »Tut mir Leid, aber die Wache hat noch nicht geöffnet«, sagte Richie. »Wenn es sich um einen Notfall handelt …«
    »Ich glaube, man könnte es als Notfall bezeichnen«, unterbrach die Frau ihn. Sie sprach mit einem westbritischen Akzent. »Ich bin wegen des rätselhaften …«
    Sie verstummte, als Frank erschien.
    »Entschuldige, Richie«, sagte er und wandte sich dann der Frau zu. »Guten Morgen, Dr. McClatchie. Ich bin Frank Deegan, der hiesige Sergeant.« Er reichte ihr die Hand und drehte sich zu Richie um. »Richie, das ist Dr. McClatchie, die staatliche Gerichtsmedizinerin. Und das ist«, wandte er sich an McClatchie, »mein Kollege Richie Bates.«
    Richie errötete.
    »Sie kennen mich nur aus dem Fernsehen, nicht wahr?«, sagte McClatchie. »In natura sehe ich offenbar anders aus.« Sie lächelte.
    »Ja«, sagte Richie. »Entschuldigen Sie.«
    »Schon gut.«
    »Wir sind froh, dass Sie hier sind«, sagte Frank. »Ich bringe Sie zum Tatort, Doktor,

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