Schattenturm
eigenen Bogen?«, fragte Duke.
»Klar. Aber nur, wenn du mir versprichst, fleißig zu lernen, jeden Tag zur Schule zu gehen und nicht in der Bucht zu schwimmen, wenn du im Klassenzimmer sitzen solltest.«
Duke lächelte.
»Okay«, sagte Bill. »Jetzt ab mit dir. Ich hab noch zu tun.«
15.
Anna lag auf der Couch, als sie plötzlich die Augen aufriss und an die Decke starrte. Ihre Glieder waren völlig verspannt, ihre Lippen klebten aufeinander, und sie konnte sich nicht bewegen. Als es ihr schließlich gelang, eine Hand auf die Brust zu legen, spürte sie den schweißnassen Fleck auf ihrem T-Shirt. Ihr Herz klopfte laut. Verschwommene Bildfetzen geisterten durch ihren Kopf, bis die rasende Abfolge sich verlangsamte, sodass sie das ganze Ausmaß des Schreckens sah. Ihr Herz schlug noch schneller. Anna wusste, was es war: eine Schlafparalyse, wie sie in Stresszeiten auftrat. Meistens geschah es mitten in der Nacht, und dann vermied sie es, auf die Uhr zu schauen, aus Angst, bis zum Morgen wach zu liegen.
Sie starrte weiterhin an die Decke und kämpfte gegen die Panikattacke an, bis ihr Atem sich beruhigt hatte. Dann schloss sie die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen, doch es gelang ihr nicht. Nachdem die Sache mit Katie und Shaun geschehen war und die anderen Dinge, die sie belasteten, an die Oberfläche drangen, hatte Anna das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Als sie dann erfahren hatte, dass Katie ermordet worden war, schlugen ihre Gedanken entsetzliche Richtungen ein, und die Paranoia nahm beängstigend reale Züge an.
Anna ging ins Schlafzimmer. Joe lag mit dem Rücken auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
»Ich muss dir was sagen«, begann sie. »Ich glaube nicht, dass es von Belang ist, aber ich will kein Risiko eingehen.«
»Worum geht es?«, fragte Joe.
»Um John Miller.«
Joe runzelte die Stirn.
»Ich war nicht nur die acht Monate mit ihm zusammen, als ich damals zum College ging«, gestand Anna.
»Mir ist es egal, wie lange du mit ihm zusammen warst.«
»Es geht nicht darum, wie lange wir zusammen waren, sondern wann.«
»Ich verstehe nicht …«
»Ich war noch einmal mit ihm zusammen, als ich damals für kurze Zeit nach Irland zurückgekehrt bin.«
Allmählich begriff Joe.
»Als wir beide verlobt waren?«, fragte er und richtete sich auf.
»Ja«, gab Anna zu. Tränen traten ihr in die Augen. »In den zwei Wochen, als ich hier gewesen bin.«
»Aber warum?«
»Ich weiß es nicht. Er war da und … was soll ich sagen? Es ist lange her.«
»Und warum sagst du es mir jetzt?«, fragte Joe, obwohl er wusste, dass emotionale Traumata viele Menschen tief erschütterten und sie dazu brachten, ihr Inneres zu reinigen. Dunkle Geheimnisse drangen in schweren Zeiten rascher an die Oberfläche.
»Ich weiß es nicht«, sagte Anna. »Vielleicht … Ich weiß es nicht.«
»Das glaube ich einfach nicht.« Joe schüttelte den Kopf. »Hat er dir was getan?«
»Er hat mich gefragt, ob ich mit ihm schlafen wolle …«
»Was?« Joe sprang wütend auf. »Und was hast du gesagt?«
»Was glaubst du wohl?«
»Ich weiß es nicht. Ja, vielleicht?«
»Joe, es ist lange her«, sagte sie noch einmal.
»Großartig. Dann ist es ja egal. ›Hör mal, ich habe mit einem anderen geschlafen, aber das ist fünf Jahre her, also tun wir einfach so, als wäre nichts geschehen‹«, sagte Joe spöttisch. Anna senkte den Blick.
»Es ist nicht so sehr von Bedeutung, wann du untreu warst, sondern dass du untreu warst und gelogen hast und dass ein Trottel auf dich wartete, der dich geheiratet hat, ohne die Wahrheit zu kennen. Findest du das fair? Hältst du das für eine gute Basis?«
»Bereust du, dass du mich geheiratet hast?«, fragte Anna.
»Jetzt dreh mir nicht das Wort im Mund herum. Du kennst die Antwort. Aber ich bin nicht bereit, einfach darüber hinwegzusehen. Ich war dir zwanzig Jahre lang treu, Anna. Und das können nicht viele Cops zu ihren Ehefrauen sagen. Wir haben es mit Nutten zu tun, die uns ihre Titten ins Gesicht drücken, und mit Nackttänzerinnen, die zu allem bereit sind, um eine Drogenrazzia zu verhindern, und dann gibt es Frauen, die schon scharf werden, wenn sie eine Uniform sehen.«
»Schön für dich!«, rief Anna. »Dann hast du wenigstens nicht mit einer Hure geschlafen!«
»Ich glaube schon«, erwiderte Joe.
Sie starrte ihn an. »Du Mistkerl.«
Joe packte sie am Arm, als sie an ihm vorbeiwollte, doch sie riss sich los.
Detective O’Connor stand vor Frank
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