Schattenturm
Sie haben Katie gekannt. Glauben Sie allen Ernstes, ein Mann wie Petey Grant …«
»Er hat für sie geschwärmt.«
»Das haben viele andere Burschen in Mountcannon auch«, sagte Joe. »So ein Blödsinn. Wahrscheinlich läuft da draußen ein Irrer herum, und Sie haben nichts Besseres zu tun, als Petey zu verhören. Mein Gott! Haben Sie überhaupt schon mal in einem Mordfall ermittelt?«
»Sie arrogantes Arschloch«, zischte Richie, ging auf Joe zu und blieb dicht vor ihm stehen. Er überragte Joe um fast einen halben Kopf.
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte Joe.
Richie stand wutschnaubend vor ihm. Sein Gesicht war krebsrot, und die Adern an seinen Schläfen traten hervor.
Joe wandte sich um und ging zu Petey. Richie folgte ihm.
»Wenn du einverstanden bist, Petey«, sagte Joe, »wird Richie dir ein paar Fragen stellen. Du sollst ihm bei den Ermittlungen helfen, mehr nicht, deshalb gibt es keinen Grund, warum ich nicht zuhören sollte. In Ordnung, Petey?«
»Ehrlich gesagt, Mr Lucchesi, würde ich das hier gerne alleine machen.«
Joe musterte Petey erstaunt. »Na gut. Wenn du meinst. Dich setzt hier doch niemand unter Druck, oder?«
»Nein. Es ist alles in Ordnung.«
»Okay. Dann lass ich dich allein.«
»Danke«, sagte Richie und fügte sarkastisch hinzu: »Sehr liebenswürdig.«
Joe ging an ihm vorbei zur Tür und verließ die Wache.
»Ich frage dich noch einmal«, sagte Richie, kaum dass Joe verschwunden war. »Weißt du etwas über die Sache?«
Petey atmete tief ein. »Ja. Ich habe Katie in der Nacht getroffen.«
»Wie – du hast sie getroffen?«
»Ich bin ihr über den Weg gelaufen«, sagte Petey. »Sie hat geweint.« Er senkte den Blick und schaute Richie dann in die Augen. »Sie hat gesagt, sie hätte sich mit Shaun gestritten.« Richie lächelte.
18. STINGER’S CREEK
North Central Texas, 1986
Ashley Ames stand vor dem Spiegel in ihrem Zimmer und überlegte, ob sie genug Make-up aufgelegt hatte. Die Schminke kam auf ihrer blassen Haut gut zur Geltung: Rouge, Wimperntusche und ein glänzender Lippenstift. Sie schüttete ihr Kosmetiktäschchen aus und strich mit den Fingern über die Schminkutensilien. Schließlich fand Ashley den schwarzen Eyeliner, den sie gesucht hatte, obwohl sie nicht richtig wusste, wie man ihn benutzte. Sie zog die Kappe ab und beugte sich zu dem Spiegel vor. Ihre neunjährige Schwester Luanne lag hinter ihr auf dem Bett.
Als Ashley fertig war, drehte sie sich mit einer Haarbürste, die sie wie ein Mikrofon vor den Mund hielt, zu Luanne um. »Heute wird Ashley Ames ein pinkfarbenes, schulterfreies Top mit einem kurzen grünen Sweatshirt-Rock vorführen und dazu klassische weiße Keds tragen. Oder gefällt dir das hier besser: Heute trifft Ashley Ames ihren Mann in einem pinkfarbenen, schulterfreien Top mit einem kurzen Rüschenrock; dazu trägt sie schwarze, hochhackige Stiefeletten …«
»… und ihr Haar könnte länger sein und ihr Eyeliner dicker aufgetragen …«, sagte Luanne.
»Ach, halt die Klappe, Lu«, sagte Ashley. »Hm, was soll ich denn jetzt anziehen?«
»Den Rüschenrock«, sagte Luanne. »Aber Daddy rastet aus.«
»Warum?«
»Sieht ein bisschen nuttig aus«, meinte Luanne.
»Du hast doch keine Ahnung.« Ashley zwängte sich in den Rock. Als sie den Reißverschluss an der Seite nach oben zog, bildete sich über dem Bündchen eine kleine Speckrolle. Sie drehte sich um und schlug sich auf den Po.
»Sonne dich in meinem Glanz, Lu. Sonne dich in meinem Glanz.«
Ashley setzte sich aufs Bett und zog die kurzen Stiefel über ihre fleischigen Waden. Dann nahm sie ihre Tasche, warf ein paar Schminkutensilien hinein und stolzierte zur Tür. Als sie ins Wohnzimmer ging, ließ Westley Ames die Zeitung sinken.
»Ich weiß nicht, Ashley …«, sagte er kopfschüttelnd.
»Was weißt du nicht, Daddy?«
»Ob das die richtige Kleidung für ein junges Mädchen ist oder ob die Leute sich die Mäuler über dich zerreißen werden.«
»Was glaubst du denn, Daddy?«
»Treib es nicht auf die Spitze, Ashley.«
»Tut mir Leid. Es ist nur … Ich meine, ich bin ja nicht die Einzige, und mir gefallen meine Sachen.«
»Und warum siehst du aus, als wärst du in einen Tuschekasten gefallen?«
»Ich hab mich nur ein bisschen geschminkt, Daddy. Das tun alle.«
»Und wer ist der Glückliche?«, fragte Westley.
»Donnie Riggs. Du kennst ihn, Daddy.«
»Ich weiß, wer er ist. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich ihn kenne. Und du kennst ihn auch
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