Schattenturm
erschossen«, sagte Joe. »Der Mann hieß Donald Riggs. Er hatte ein achtjähriges Mädchen entführt. Nachdem er das Lösegeld erhalten hatte, sprengte er das Mädchen und seine Mutter in die Luft. Ich war dabei. Ich habe Riggs erschossen. Ich habe seine Leiche gesehen. Und ich sah noch etwas – dass er eine Anstecknadel in Gestalt eines Wüstenbussards in der Hand hielt. Diese Anstecknadel liegt nun in einer Beweismitteltasche im New Yorker Polizeipräsidium. Wie kommt es dann, dass ich am Sonntag vor Ed Danahers Kneipe dieselbe Nadel gefunden habe?«
Er zeigte Frank seinen Fund. Franks Blick wanderte zwischen der Anstecknadel und Joes Gesicht hin und her.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ich fürchte, es ist jemand hinter mir und meiner Familie her, Frank. Und ich glaube, der Name des Mannes ist Duke Rawlins.«
»Das kann irgendeine alte Anstecknadel sein …«
»Das ist nicht irgendeine alte Anstecknadel. Sie ist eng mit einem Vorfall in den Achtzigern verbunden«, unterbrach Joe ihn. »Es hört sich verrückt an, und ich weiß nicht, wer dieser Kerl ist, aber er ist …«
»Du hast einiges durchgemacht«, sagte Frank.
»Was?«
»Du stehst ziemlich unter Stress.«
»Natürlich ist das alles eine große Belastung für mich«, sagte Joe. »Aber ich phantasiere mir nichts zusammen, wenn du das damit sagen willst. Ich glaube, der Kerl ist hier in Irland.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Nein. Aber es gibt keine andere Erklärung für das Auftauchen dieser Anstecknadel. Niemand weiß etwas darüber, und niemand hat der Anstecknadel zum Zeitpunkt des Verbrechens irgendeine Bedeutung beigemessen. Sie wurde als Teil des persönlichen Eigentums eines toten Verbrechers angesehen. Das war alles. Der einzige Grund, warum ich etwas damit anfangen kann, ist der, dass ich diese Anstecknadel in der Hand des ersten und hoffentlich letzten Mannes gesehen habe, den ich je getötet habe.«
»Mit der Information kann ich nicht viel anfangen«, sagte Frank.
»Es könnte einen Zusammenhang mit Katies Ermordung geben. Der Kerl könnte sich an sie herangemacht haben.«
»Wir können aber nicht herausfinden, ob er im Land ist.«
»Doch, können wir. Die Einwanderungsbehörde oder der Flughafen …«
»Das klappt nicht. Joe. Wenn es sich um einen Kriminellen handelt, kommt er nicht mit einer offiziellen Arbeitserlaubnis ins Land. Und wenn jemand mit einem sechsmonatigen Urlaubsvisum hierher kommt, werden seine Daten nicht erfasst.« Er zuckte mit den Schultern. »Dann kann er tun und lassen, was er will.«
Ray stieg aus dem Lieferwagen und hupte. Anna kam aus dem Haus.
»Ich nehme an, heute beginnt die zweite Runde«, sagte sie.
»Ja«, erwiderte Ray und lud Farbdosen, Farbroller und Pinsel von der Ladefläche. »Wenn du mich brauchst, ich bin da drüben«, sagte er und zeigte auf den Leuchtturm. »Dann habe ich meinen eigenen Platz, um mich anschließend auszuruhen«, fügte er hinzu.
»Viel Glück«, sagte Anna.
Shaun betrat den leeren Computerraum der Schule und setzte sich an einen der PCs. Er öffnete das E-Mail-Programm und gab sein Passwort ein. Eine neue Nachricht wurde angezeigt. Die Betreffzeile war nicht ausgefüllt, und der Absender wurde lediglich als eine Folge von Buchstaben angegeben. Als Shaun die Mail öffnete, erschien ein Foto auf dem Monitor. Es war ein Bild des Leuchtturms. Auf der Wiese vor dem Turm loderten Flammen. Es war die Aufnahme, die seine Mutter in Auftrag gegeben hatte.
Shaun schloss die Mail, nahm seine Tasche und machte sich auf den Heimweg. Als er zu Hause ankam, war er immer noch stocksauer.
»Ich finde es krank, dass ihr alle einfach zur Tagesordnung übergeht!«, fuhr er seine Mutter an.
»Und ich habe keine Lust, immer wieder dieselben Diskussionen zu führen, Shaun«, erwiderte Anna. »Ich bin erschöpft, und ich muss arbeiten. Daran kann ich nichts ändern. Ich weiß, dass es eine schwere Zeit für dich ist.«
»Und warum musst du mich immer wieder mit der Nase darauf stoßen?«
Anna drehte sich zu ihm um und sah ihm ins Gesicht. »Ich stoße dich mit der Nase darauf? Was soll das denn heißen?«
»Deine E-Mail.«
»Welche E-Mail?«
»Dieses beschissene Foto!«
»Was ist eigentlich los mit dir? Ich will nicht, dass du in diesem Ton mit mir sprichst! Was für ein Foto meinst du? Was für eine E-Mail?«
»Die Mail, die ich heute bekommen habe. Von dir.«
Joe kam in die Küche und legte das schnurlose Telefon auf den Küchenschrank.
»Das war Frank Deegan«, sagte er.
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