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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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»Shaun, hast du heute mit Richie gesprochen?«
    »Ja. Warum?«
    »Richie sagt, du leugnest, dich mit Katie gestritten zu haben, bevor sie verschwunden ist. Sie haben aber einen Zeugen, der aussagt, ihr hättet Krach gehabt.«
    »Was soll das?«
    »Ich erzähle dir nur, was ich gehört habe. Richie sagt, er hätte vorhin im Dorf mit dir gesprochen.«
    »Stimmt, aber …«
    »Offenbar hast du bestritten, Streit mit Katie gehabt zu haben, nachdem Richie dich über deine Rechte belehrt hat. Er glaubt, dass du lügst, und hat alles in sein Notizbuch geschrieben.«
    »Er hat mich über meine Rechte belehrt? Nach dem Motto: ›Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden?‹«
    »So ungefähr.«
    »Das ist nicht wahr! Ich schwör’s, Dad! Wir haben uns nur unterhalten.«
    »Wir beide gehen jetzt zur Wache, reden mit Frank und Richie und schaffen Klarheit. Ich würde selbst gern wissen, was das alles zu bedeuten hat, Shaun.«
    Ray ging rückwärts aus seiner Wohnung und zog eine schwarze Mülltüte hinter sich her. Er warf sie sich über die Schulter und stapfte zu den Mülltonnen, die am Ende der Straße in einer Sackgasse standen. Als er die Mülltüte in die Tonne warf, sah er, dass sie aufgeplatzt war.
    »Verdammt, Ray«, sagte Richie, der plötzlich hinter ihm stand.
    Ray fuhr erschrocken herum.
    »Sieh dir das an«, sagte Richie und zeigte auf den Unrat, den Ray auf dem Weg vom Haus zu den Mülltonnen verloren hatte.
    »Du bist ein guter Schnüffler, Richie«, spottete Ray. »Du bist erfolgreich einer Müllspur gefolgt. Jetzt wird man dich zum Sergeant befördern.«
    »Halt’s Maul und mach das sauber.«
    »Warum interessierst du dich so brennend dafür, was aus meinem Sack fällt?« Ray feixte.
    Richie presste Daumen und Mittelfinger auf Rays Arm und drückte zu.
    »Au, verdammt!«, schrie Ray. »Du blöder Hund!« Er schaffte es nicht, sich loszureißen.
    »Wenn ich heute Abend nach Hause komme«, sagte Richie mit Blick auf den Müll, »und der Dreck ist nicht verschwunden, stopf ich alles in deinen Briefkasten. Darauf kannst du dich verlassen.« Er ließ Rays Arm los.
    »Jetzt kapiere ich«, sagte Ray. »Die Straßen von Mountcannon reinigen.«
    »Gehört deine Wohnung dir überhaupt?«, fragte Richie.
    »Was soll das heißen?«
    »Gehört sie dir?«
    »Ich hab sie gemietet. Warum fragst du? Weil du und dein Freund euch zusammengetan habt?«
    »Mir gehört die Wohnung. Oran ist mein Mieter.«
    »Da habt ihr ja ein schönes Liebesnest.«
    Richie schlug mit der Faust gegen Rays Schulter. »Pass auf, was du sagst!«
    »Oje, der Gesetzeshüter. Du bist in Uniform. Was sollen die Nachbarn denken?«
    Richie blickte auf die menschenleere Straße.
    »Sieh dich bloß vor«, zischte er drohend.
    »Mach ich immer. Aber du siehst ja, was dabei rauskommt.«
    Die langen Beine neben dem Schreibtisch ausgestreckt, saß Shaun auf einem Stuhl in der Wache und warf immer wieder Blicke auf die Uhr.
    »Nur die Ruhe«, sagte Frank. »Richie muss jeden Moment hier sein.«
    Fünf Minuten später betrat Richie mit rotem, verschwitztem Gesicht die Wache. Frank starrte ihn an, ehe er sich Shaun zuwandte.
    »Sag uns einfach, wo du in der fraglichen Nacht gewesen bist«, forderte Frank ihn auf. »Du solltest uns endlich die Wahrheit sagen.«
    Einen Moment herrschte Stille. Joe, der an Shauns Seite saß, betrachtete aufmerksam das schwarze Brett an der cremefarbenen Wand. In einer Ecke hing eine schlechte Farbkopie vom Gesicht einer jungen Frau mit dichtem schwarzem Kraushaar. Ihre schmalen Augen lagen unter buschigen Augenbrauen, und ihre Wangen waren voll und rund. VERMISST stand unter dem Bild. Siobhàn Fallon. Sie wurde am Freitag, dem 7. September, zuletzt im American Heroes in Tipperary gesehen. Joe hatte noch nie von dieser Frau gehört. Es gab vermisste Personen, die die Aufmerksamkeit sämtlicher Medien auf sich zogen, während andere, weniger attraktive Opfer es nur zum Plakat an der Wand einer Wache brachten.
    »Shaun.« Frank seufzte. »Ich frage dich jetzt zum letzten Mal. Wo bist du in der Nacht gewesen, in der Katie verschwunden ist?«
    »Seascapes«, sagte Shaun.
    Joe wirbelte herum. »Ich hab’s gewusst, verdammt!«
    »Die Ferienhausanlage?«, fragte Frank, ohne auf Joes Bemerkung einzugehen.
    »Ja.«
    Joe schüttelte den Kopf.
    »Wie spät war es?«, fragte Frank.
    »Halb acht.«
    »Und was hast du da gemacht? Gearbeitet?«
    »Nein«, sagte Shaun und warf seinem Vater einen flüchtigen Blick zu. »Katie und ich …

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