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Schattenturm

Schattenturm

Titel: Schattenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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ganz andere Dinge im Kopf habe. Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es im Ganzen gesehen keine Bedeutung hat. Was mit Katie geschehen ist, und was Shaun jetzt durchmacht, ist viel wichtiger. Meine Energie ist nicht unerschöpflich, und ich muss mich um unseren Sohn kümmern. Aber trotzdem kann es mit uns so nicht weitergehen. Ich kann nicht von dir getrennt leben, egal was du getan hast. Es ist verrückt. Es tut mir Leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich habe es nicht so gemeint. Ich war so wütend, ich wusste nicht mehr, was ich sage.« Er hielt ihre Hände. »Warum gerät unser ganzes Leben aus den Fugen?«
    Er nahm Anna in die Arme. Sie schluchzte und spürte seine Küsse auf ihrem Haar.
    Martha Lawson lag auf dem Sofa. Sie trug eine weite Strickjacke mit einem Gürtel, der eng um ihre Taille geschlungen war. Als es klingelte, erwachte sie aus einem leichten Schlaf. Sie ging zur Tür und lächelte verhalten, als sie Richie sah.
    »Wie geht es dir, Martha?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht«, antwortete sie und führte ihn ins Haus. Sie nahm die Zeitungen und Zeitschriften von der Couch und bot Richie einen Platz an.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte sie dann, räumte schmutzige Teetassen vom Tisch und wischte mit den Fingern über die Ringe, die sich gebildet hatten.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Richie. »Setz dich. Ich habe eine Menge Neuigkeiten, aber das geht nur dich und mich etwas an. Ich erzähle es dir im Vertrauen. Als Freund.«
    Martha schaute ihn verwirrt an.
    »Es geht um Shaun.«
    Im Schlafzimmer war es dunkel. Die Rollladen waren bis zu den Fensterbänken heruntergezogen. Der Geruch des Schlafs hing in der Luft. Joe legte eine Hand auf Annas Schulter und drehte sie behutsam zu sich um.
    »Ich fahre nach Dublin«, flüsterte er. Anna runzelte die Stirn und schaute auf die Uhr.
    »Es ist erst sieben.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Ich muss etwas erledigen.«
    »Jetzt? Und was ist mit Shaun? Ich kann ihn heute noch nicht mal in die Schule schicken. Was soll ich tun? Wir haben kaum über das gesprochen, was gestern auf der Wache passiert ist.«
    »Ich fahre wegen Shaun nach Dublin«, sagte Joe. »Sie haben ihn vorerst gehen lassen, aber wer weiß, wie sie die Beweise drehen und wenden …«
    »Wie kann uns denn in Dublin jemand helfen?«, fragte Anna. »Kannst du das nicht telefonisch regeln?«
    »Nein.« Joe küsste sie auf die Wange, bevor Anna das Gesicht abwenden konnte.
    Joe fuhr auf der Waterford Road Richtung Norden, folgte der Abbiegung nach Passage East und reihte sich in die Schlange zur Fähre nach Ballyhack ein. Obwohl die Überfahrt nur fünf Minuten dauerte, stieg er die schmale Treppe aufs Deck hinauf, nachdem er den Wagen abgestellt hatte. Immer, wenn er auf dem Deck stand, erwartete ihn eine andere Aussicht. Er lehnte sich an die Reling und genoss die kühle Brise.
    Von Ballyhack aus fuhr Joe Richtung Osten und passierte die Hinweisschilder nach Rosslare, das rechter Hand lag, und nach Wexford, das sich links befand. Er bog links ab und folgte der Straße, bis er auf die Autobahn auffahren konnte. Zwei Stunden später war er in Dublin. Dort quälte er sich durch ein verwirrendes System von Einbahnstraßen, bis er schließlich einen Platz in einem Parkhaus in Temple Bar fand.
    Gemächlich ging er über die Westmoreland Street und an der geschwungenen Fassade der Bank of Ireland vorbei, wo er die belebte Straße zum Trinity College mit seiner strengen Architektur aus dem 18. Jahrhundert überquerte. Obwohl Joe schon häufig in Dublin gewesen war, war er noch nie über das Kopfsteinpflaster unter dem berühmten Bogen der Hochschule hindurchgegangen. Joe ging an der Bibliothek vorbei und stand bald darauf vor den großen, klösterlichen Holztüren der zoologischen Fakultät. Das beeindruckende Steingebäude war über hundert Jahre alt. Als Joe die winzige Eingangshalle betrat, hatte er beinahe das Gefühl, in die Geschichte einzutauchen.
    Zu seiner Rechten befand sich Neal Columbs Büro mit weißen Holzpaneelen und Mattglas. An der Tür klebte schief ein Zettel: Bin um 14.30 Uhr zurück.
    Als um 14.20 Uhr ein gepflegter, frisch geduschter Mann mit einem Sandwich in der Hand an ihm vorbeiging, achtete Joe kaum auf ihn. Der Mann schüttelte den Kopf, als er den Post-it–Zettel sah. Er riss ihn ab und steckte ihn in die Tasche, ehe er die Tür auf-schloss und sein Büro betrat. Kurz darauf kam er mit einem Zettel wieder heraus, den er sorgfältig an die Tür klebte:
    Bin um

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