Schattenwanderer
fallen. Ich sprang zurück, griff nach dem Bolzen, der zwischen meinen Zähnen klemmte, aber Fliege stürzte sich schon mit seinem ganzen Gewicht auf mich. Die Armbrust entglitt mir, Fliege und ich gingen gemeinsam zu Boden.
Ein Klicken! Die Zeit strömte wieder geschwind wie ein Bergfluss. Von der Gemächlichkeit war nichts geblieben.
Krach! Ich fiel auf den Rücken, schlug mit dem Hinterkopf auf den Steinfußboden, und in meinem Schädel explodierte eine flammende Funkengarbe. Der verfluchte Mann war über mir und kannte nur ein Ziel: mir die Faust ins Gesicht zu rammen.
Krach! Meine Wangenknochen sprengte ein Pulverfass der Gnome, eine flammende Funkensäule bohrte sich in mein Hirn und zermalmte mir die Augen. Den Schmerz überwindend, versuchte ich den Feind von mir runterzuhieven, jedoch ohne Erfolg. Fliege holte mit der verletzten Rechten aus und landete mit der gleichen Wucht wie eben auch mit der Linken einen Schlag in meinen Bauch.
Krach! Die Luft winkte mir noch einmal höflich zum Abschied zu, um dann aus meinen Lungen zu entweichen. Mit letzter Kraft verpasste ich Fliege einen Kinnhaken, einen ziemlich schwachen Stoß, ehrlich gesagt. Fliege nahm ihn nicht einmal zur Kenntnis. Die ganze Zeit über brachte das Wilde Herz kein Wort heraus. Im Unterschied zu Liebling und Yargee wollte er seine Arbeit wohl möglichst schnell erledigen und dann von hier verschwinden.
Das Finale unserer Schlacht, die es wert war, in Form eines Freskos verewigt zu werden, bestand darin, dass sich die kräftigen, sehnigen Hände Flieges um meinen Hals schlossen, wie es so schön heißt: im Krebsgriff. Denn ein gewisser Garrett würde daraus nicht mehr entkommen, vielmehr wurde ihm kurzweg die Luftzufuhr abgeschnitten.
Ich hämmerte mit beiden Händen auf Flieges Rippen ein, aber auch dies ohne jede Wirkung. Unbeirrbar wie ein Imperiumshund presste er die Finger nur fester und fester zusammen. Jemand röchelte. Ich hoffte, dass nicht ich das war. Irgendwann verstummte das Röcheln, trat in den Hintergrund, verschwand. Schatten kamen auf mich zu, umarmten mich, tanzten als schwarze Kreise vor meinen Augen, riefen mich zu sich. Meine Lungen brannten und flehten um einen Atemzug reiner und frischer Luft.
Als das Dunkel meinen Blick bereits völlig füllte, erklangen aus einer anderen Welt, einer, die so herrlich mit frischer Luft gesättigt war, das Flirren einer Sehne, das Pfeifen eines Pfeils und ein dumpfer Schlag. Daraufhin fiel etwas sehr Schweres auf mich und presste mich zu Boden. Immerhin konnte ich nun wieder leichter atmen.
Mit geschlossenen Augen sog ich die kostbarste aller Göttergaben ein: Luft. Es gurgelte, ächzte und pfiff in mir. Mein Hals schmerzte fürchterlich, selbst das Schlucken tat weh, aber ich atmete – und nur darauf kam es an.
»Er lebt, Mylord!«, vernahm ich über mir eine Stimme. Mir stieg strenger Knoblauchgeruch in die Nase. »Er atmet.«
»Zieht den andern Kerl runter!« Baron Frago Lonton höchstselbst, wenn mich die wütende Stimme nicht täuschte.
Aus purer Höflichkeit schlug ich die Augen auf und betrachtete die neuen Akteure in dieser Komödie. Ich hatte mich nicht getäuscht. Über mir stand der ungewöhnlich finstere Baron, in Begleitung von zwei Dutzend seiner treuen Hunde, darunter war auch mein guter alter Bekannter, der Knoblauchliebhaber mit der Armeearmbrust. Das schwere Gewicht, das auf mir lastete, war nichts anderes als der tote Fliege. Der Knoblauchliebhaber hatte ihm einen Pfeil zwischen die Schulterblätter gejagt, und Fliege hatte in einer Anwallung freundlicher Gefühle beschlossen, sein Leben auf meinem Körper auszuhauchen. Was er dann auch getan hatte, der Schuft.
Noch nie im Leben hatte ich mich dermaßen über eine Begegnung mit der Stadtwache gefreut. Ich würde die hässlichen Worte über ihre Fähigkeiten zurücknehmen und bei der Gesundheit aller Doralisser schwören, nie wieder schlecht über sie zu reden. Wenn diese tapferen Jungs nicht gewesen wären, würde ich jetzt so blau wie ein verrecktes Küken auf dem Boden der Bibliothek liegen.
»Sofort, Euer Gnaden.« Der Knoblauchliebhaber legte die abgefeuerte Armbrust rasch zur Seite und zog Flieges Körper von mir herunter.
Auf der Stelle wurde mir leichter zumute. Nun packten mich der Knoblauchmann und ein anderer Soldat fest bei den Armen und stellten mich auf die Beine. Der Boden schwankte irgendwie bedenklich, und beinahe wäre ich wieder zusammengesackt. Der Wangenknochen, der mit Flieges Faust
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