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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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die Kellnerinnen anfuhr. Schleunigst setzten sich diese in Bewegung. Obwohl der Lärm wieder anhob, lasteten Spannung und Argwohn auf dem Raum. Die Sängerin sang mit zittriger Stimme, immer wieder zum Baron hinüberschielend. Dutzende von Augen folgten dem kleingewachsenen Mann, der auf meinen Tisch zusteuerte und jederzeit alle, die nicht nach dem Gesetz leben wollten, in die Grauen Steine stecken konnte, das kärgste und schrecklichste Gefängnis aller Königreiche im Norden.
    »Freu dich bloß nicht zu früh«, zischte Bleichling, der unauffällig etwas unter seinem Umhang verschwinden ließ, »die Zeit, da ich mich ausführlich mit dir unterhalten werde, kommt schon noch.«
    »Du bist nicht nur ein Mörder, sondern auch ein Sadist, wenn du mir mit einem ausführlichen Gespräch drohst. Pass auf, dass du dich nicht piekst«, höhnte ich, doch Bleichling war schon verschwunden, hatte sich im Halbdunkel aufgelöst.
    Ich atmete leise aus und wischte mir die schweißnassen Hände ab.
    »Garrett?«, fragte der Baron, als er vor mir stand.
    Ich sah den kleinen, drahtigen Mann im Orange und Schwarz der Stadtwache von Awendum an. Sicher, sein Wams war weitaus kostbarer als das eines einfachen Soldaten, für das Stück war ordentlich Samt verarbeitet worden. Und für die fein gearbeitete, zweischneidige Klinge aus Filand hätte man gut und gern eine Schenke aufkaufen können, die dem Messer und Beil in nichts nachstand.
    Da Leugnen ohnehin nichts geholfen hätte, deutete ich auf den Stuhl, auf dem eben noch Bleichling gesessen hatte. Den Namen des Mörders wusste ich übrigens noch immer nicht. »Wenn Euer Gnaden Platz nehmen wollen.«
    Der Baron zog sich den Stuhl hin und setzte sich. Gosmo sprang höchstpersönlich herbei und brachte eine Flasche seines besten Weins, Pokale und etwas zu essen. Mylord wartete schweigend ab, bis alles auf dem Tisch stand, um den Wirt dann anzublaffen: »Und jetzt verzieh dich! Sobald du dich hier blicken lässt, kriegst du es mit mir zu tun!«
    Gosmo zog mit Verbeugungen und tiefsten Ehrbezeugungen von dannen, wobei er beinahe gegen einen Stuhl gestoßen wäre.
    Frago schenkte sich wortlos vom Rotwein ein, der weit im Süden gekeltert worden war, dort, wo der Kamm der Welt auf die Steppen Ungawas trifft, und stürzte den Rebensaft in einem Zug hinunter. Anschließend räusperte er sich zufrieden und machte sich daran, mein Gesicht zu studieren. Ich blieb ihm nichts schuldig und besah mir meinen überraschend aufgetauchten Retter ebenfalls.
    Ein paar Mal hatten der Baron und ich schon das Vergnügen gehabt. Nicht persönlich, Sagoth sei Dank. Es war jedoch zu einem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Interessen gekommen. Ich hatte mir nämlich aus seinem Haus einen Ring »entliehen«. Danach hatte der Baron versucht, mich zu schnappen und in die Grauen Steine zu verfrachten, mich aber nicht zu fassen gekriegt. Er hatte sich sogar veranlasst gesehen, eine Belohnung auf meinen Kopf auszusetzen, weshalb ich, um dieser zweifelhaften Ehre zu entgehen, in einer besonders dunklen Nacht diese Belohnung aus seinem Palast hatte stehlen müssen. Wie heißt es doch so schön: Kein Geld, keine Belohnung – und wesentlich weniger Sorgen.
    Trotzdem brachte ich diesem Mann, meinem erklärten Feind, uneingeschränkten Respekt entgegen. Sagoth soll mich strafen, wenn ich lüge.
    Der Baron war ehrlich. Ehrlich zumindest im Rahmen seiner Kräfte und Möglichkeiten. Natürlich ließ er sich bestechen – aber wer in unserer käuflichen Welt täte das nicht? Doch wenn man den Baron bezahlte, durfte man gewiss sein, dass nun alles den gewünschten Gang nahm. Man würde weder verraten noch verhaftet werden. Lonton war ein Mann von Ehre. Er schlug nie aus dem Hinterhalt zu und demütigte seine Untergebenen nicht, auch wenn er sie fest an die Kandare nahm. Der Baron war dem König treu ergeben, seinen Posten hatte er sich nicht erkauft oder verwandtschaftlichen Beziehungen zu verdanken, sondern verdient. Ehrlich verdient, von der Pike auf, als Soldat der Stadtwache. Titel und Amt waren ihm bald verliehen worden, für Verdienste gegenüber der Krone. Awendum konnte von Glück sagen, dass dieser Mann zum Hauptmann der Wache bestellt wurde. Obwohl für uns Diebe damit eine Zeit anbrach, die wahrlich kein Zuckerschlecken war. Die Zahl der Verbrechen ging natürlich nicht zurück, aber alle Ganoven hielten nun erst nach der Stadtwache Ausschau, bevor sie ihr Werk verrichteten. Eine Kleinigkeit, gewiss, aber ein Sieg

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