Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
Vom Netzwerk:
verständnisvoll. »Das ist doch nicht Eure Schuld.«
    »Wessen denn, wenn nicht meine? Die der Götter?« Aus der Stimme des Königs war Kummer herauszuhören.
    Niemand antwortete ihm.
    Ich verstand ihn. Wenn sich ein gesunder Thronerbe aus heiterem Himmel in einen Idioten verwandelt, während die ganze Welt auf einen Abgrund zurollt … Doch unser König war ein starker Mann, er würde auch das überleben. Oder zumindest seinen Kummer nicht zur Schau tragen. Es gab Gerüchte, Magie habe dem jungen Prinzen den Verstand geraubt. Aber wer einen solchen Zauber heraufbeschworen haben sollte, darüber konnten sich die Klatschmäuler inzwischen nicht mehr auslassen. Die allgegenwärtigen Königlichen Sandkörner hatten sie zum Schweigen gebracht, indem sie sie in die Grauen Steine expediert hatten, womöglich sogar an noch fernere Orte.
    »Diese Prophezeiung betrifft also dich, Garrett«, durchbrach Stalkon die bedrückende Stille.
    »Das bezweifle ich sehr, Euer Hoheit.« Ich glaubte wirklich nicht an diese Koboldmärchen. »Das ist ein Zufall, mehr nicht.«
    »Das gilt bestimmt nicht unserem verehrten Dieb«, sprang mir Mylord Alistan zur Seite. »Diebe kommen nicht in Prophezeiungen vor, Diebe kommen in die Grauen Steine.«
    »Ein Fehler ist ausgeschlossen.« Der Narr war lautlos zurückgekehrt und ließ sich jetzt auf dem Teppich nieder. »Das Buch Bruk-Gruk hat sich noch nie geirrt.«
    »Dafür zeigen Narren eine Neigung, sich zu irren!«, widersprach Arziwus. »Doch lasst uns ein andermal darüber streiten, ob Garrett mit dieser Prophezeiung gemeint ist oder nicht.«
    »Ein andermal wird es aber nicht geben«, murmelte der Narr, selbst wenn er es dann nicht wagte, sich mit dem Oberhaupt des Ordens anzulegen.
    Natürlich zweifelte auch Arziwus die Worte des Kobolds an. Der Orden war in dieser Beziehung sehr altmodisch und gab nichts auf Prophezeiungen, sofern sie nicht von einem Magier des Ordens stammten.
    »Lady Miralissa, könnt Ihr uns sagen, was es mit dieser Selena auf sich hat, die in dem Gedicht erwähnt wird?«
    »Selena? Das ist Altorkisch, die erste Sprache dieser Welt, wenn man vom Ogerischen absieht. Es ist ein sehr seltsamer Dialekt. Ich vermute, Selena leitet sich von ›Selarshin‹ ab, was in der alten Sprache ›Mond‹ bedeutet, und von ›ena‹, also ›violett‹. Aber ein violetter Mond? Davon höre ich zum ersten Mal. In den Annalen der Krone wird ein violetter Mond mit keinem einzigen Wort erwähnt.«
    »Dann bedeutet es, dass es in Hrad Spine einen violetten Mond gibt«, kicherte Kli-Kli, den diese Vorstellung ungeheuer zu amüsieren schien.
    »Das ist nur meine Übersetzung des Wortes.« Miralissa runzelte kaum merklich die Stirn. »Über diese Papiere sollten sich Weise den Kopf zerbrechen, vielleicht entschlüsseln sie, was all das zu bedeuten hat.«
    »Das werden wir, Prinzessin, keine Sorge. Garrett!« Arziwus wandte sich nun an mich. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich diese Schriftrolle an mich nehme? Der Rat wird sich in seinen Mußestunden damit beschäftigen.«
    Ich zuckte gleichmütig die Achseln. Warum nicht? Das Gedicht konnte ich unterdessen fast im Schlaf. Und vielleicht kam der Orden ja tatsächlich hinter das Rätsel.
    »Wunderbar!«, freute sich Arziwus, der die übrigen Papiere dem Kobold hinhielt, damit dieser sie an mich weiterreichte.
    Kli-Kli stand auf, verbeugte sich in bester Tradition der Hofdamen vor mir und streckte mir die Papiere entgegen. Ich verstaute sie wieder in der Tasche, ohne weiter auf den Spaßvogel zu achten, was diesen jedoch kalt ließ. Allerdings schnitt er mir eine Grimasse, bevor er sich wieder auf den Teppich fallen ließ.
    »Ich habe noch zwei Fragen. Was sind die Säle des Schlummernden Raunens und des Schlummernden Echos?«
    »Das weiß ich nicht, Garrett. In Sagraba gibt es zahllose Legenden über die schrecklichen Dinge in den Beinernen Palästen, aber auf die habe ich nicht viel gegeben. Und von diesen Sälen habe ich noch nie gehört.«
    »Und wer ist der Kaju?«
    »Die blinden Wächter der Kaju«, verbesserte mich die Elfin. »Das ist ein weiteres Märchen, das sich schon seit über eintausend Jahren hält. Es ist zu jener Zeit entstanden, als wir in den Beinernen Palästen gegen die Orks kämpften. Damit die Gräber der Elfenherrscher nicht von Orks geschändet werden, haben unsere Schamanen aus fernen Welten Wesen herbeigerufen, welche die Ruhe der Toten sichern sollten. Das ist ein sehr, sehr altes Märchen. Seit Jahrhunderten war

Weitere Kostenlose Bücher