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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Leibe tief, tief unter der Erde begraben worden war, so musste er den unterirdischen Baumeistern doch Gerechtigkeit widerfahren lassen: Alles, ausnahmslos alles, angefangen von der geringfügigsten Einzelheit bis hin zu den ins Endlose hinaufstrebenden achtkantigen Säulen, war prachtvoll. Als er in den Saal mit den riesigen Smaragdstalaktiten kam, die allein schon durch ihre Größe beeindruckten, blieb er bewundernd stehen. Durch ein kleines Fenster in der Decke fiel ein Sonnenstrahl, wie auch immer er seinen Weg in diese Tiefe gefunden haben mochte. Er durchschnitt das Halbdunkel, das man in diesem Saal bewahrt hatte, und fiel auf die grünen Stalaktiten. Unter der zärtlichen Berührung des Strahls fingen die Steine zu funkeln an, als wären sie mit einer feinen Diamantkruste überzogen. Im Mittelpunkt dieser Pracht schufen der Sohn der Sonne und die Stalaktiten gemeinsam ein Bild, die Darstellung eines Zwerges und eines Gnoms.
    »Das sind der Große Grahel und der Große Tschigsan, der erste Gnom und der erste Zwerg. Zwei Brüder«, erklang links hinter Elodssa eine Stimme.
    Er drehte sich um und sah denjenigen, der mit ihm sprach. Genauer: diejenige. Sie stand neben einer der grünen Säulen und fuhr zärtlich mit der Hand darüber.
    »Es heißt, dieses Bild haben die Gnome entdeckt, nachdem sie auf die Idee kamen, das Licht hierher zu lenken. Es ist eine der Reliquien des unterirdischen Königreichs. Nicht viele kennen sie.«
    »Midla.« Elodssa verbeugte sich feierlich und versuchte, die Verblüffung aus seiner Miene zu scheuchen.
    »Trash Elodssa.« Sie verbeugte sich nicht weniger feierlich und verharrte einige Sekunden in dieser Stellung, so wie es die Etikette verlangte, wenn ein Elf einem Vertreter aus dem Königshaus begegnete.
    »Was für eine Überraschung, dich hier zu sehen«, sagte Elodssa.
    »Ich will doch hoffen, eine angenehme«, erwiderte die schlanke Elfin mit einem Lächeln.
    Ihre Haare waren nicht nach der Mode der dunklen Elfen geschnitten. Sie hatte keine hohe Frisur, ja, nicht einmal einen dicken Zopf, sondern eine stahlgraue Kappe kurz geschnittenen Haars. Sie trug die dunkelgrüne Kleidung der Späherin, auf ihrem Rücken statt des S’kaschs zwei kurze geschwungene Klingen mit den gleichen Nephritgriffen wie sie auch der S’kasch Elodssas zeigte. Er selbst hatte ihr die beiden Schwerter geschenkt, in jener Zeit, als das Leben noch einfach schien. Wie jung sie damals beide gewesen waren!
    »Das kommt darauf an, was du hier zu tun hast«, antwortete Elodssa.
    »Was kann eine Späherin aus dem Haus der Schwarzen Flamme wohl tun, wenn nicht den Kronprinzen beschützen?« Sie lächelte schief.
    Kronprinz. Dieses vermaledeite Wort hatte ihr Glück vor fünf Jahren für immer zunichte gemacht.
    »Das Haupt des Hauses hat mir befohlen, dein Schatten zu sein.«
    »Das ist nicht möglich! Mein Vater hätte dich nie geschickt!«
    »Habe ich dich je belogen? Dazu habe ich von Natur aus kein Geschick.« Sie zog amüsiert eine Augenbraue hoch, als sie auf das anspielte, was einst zwischen ihnen gewesen war.
    »Ich habe dir nichts vorgemacht!«, platzte es aus Elodssa heraus. »Das, was zwischen uns war, ist keine Lüge gewesen!«
    »Natürlich nicht.« Ein weiteres bitteres Lächeln. »An allem sind nur dein Vater und die dummen Gesetze schuld.«
    »Ich kann nicht gegen das Gesetz handeln, das weißt du genau! Es ist nicht meine Schuld, dass wir nicht zusammen sein dürfen! Der Sohn aus einem Herrscherhaus darf sich nicht an eine …«
    »Fahr nur fort, Elodssa! An wen darf er sich nicht binden? An eine, die ein Schwert führt? An eine, die auf der Suche nach Orks durch die Wälder Sagrabas streift? An eine, die kleinen Elfen beibringt, mit dem S’kasch zu kämpfen oder mit dem Bogen zu schießen? Oder an eine, in deren Adern nicht das Blut eines Herrscherhauses fließt?«
    »Dieses Gespräch führt genauso wenig zu etwas wie alle früheren auch.«
    »Da hast du recht«, sagte Midla.
    »Kehre zu meinem Vater zurück und sage ihm, dass mit mir alles in Ordnung ist.«
    »Sehe ich wie eine Botin aus?« In den gelben, mandelförmigen Augen funkelte schlecht unterdrückte Wut.
    Er kannte diesen Blick nur zu gut. In der Zeit, als sie sich getroffen hatten, hatte er diese Wut einige Male in ihren Augen gesehen. Nun richtete sie sich erstmals auch gegen ihn.
    »Ich habe genügend Beschützer«, sagte Elodssa scharf.
    »Dein Schutz ist da oben.« Midla wies mit dem Finger in Richtung Decke. »Bis sie hier

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