Schattenwanderer
sind, ist der Erbe aus dem Hause der Schwarzen Flamme bereits ein toter Mann.«
»Wer sollte mich hier angreifen? Derart verrückt sind die Zwerge und Gnome nun auch wieder nicht!«
»Ich gehorche dem Befehl, den ich vom Oberhaupt des Hauses erhalten habe.« Unerschütterlich zuckte sie die Achseln.
»Und ich befehle dir, nach Hause zurückzukehren«, zischte Elodssa.
»Noch besitzt du nicht die Macht deines Vaters.« Sie lächelte triumphierend.
Der Elf biss die Zähne zusammen, ballte die Fäuste, drehte sich um und entfernte sich, Midlas Sturheit verfluchend. Wir werden ja noch sehen, dachte er, wer hier wen beschützt!
Midla sah Elodssa nach. In ihren Augen stand nichts als Schmerz.
Die Woche schien nicht enden zu wollen. Elodssa hatte von seinem Vorhaben, die Berge zu verlassen, abgesehen. Was hätte das genützt? Midla wäre ihm auch dorthin gefolgt, und der Elf wollte kein Gerede hinter seinem Rücken. Alle erinnerten sich noch an ihre Beziehung und daran, dass Elodssas Vater ihnen die Heirat verboten hatte. Deshalb war der Elf die meiste Zeit über in den Gemächern geblieben, die ihm die Zwerge zugewiesen hatten, und spazierte nur gelegentlich durch die umliegenden Säle, um sich an der Schönheit und Größe dieses Ortes zu weiden. Bei solchen Gelegenheiten begleitete ihn Midla. Auf irgendeine Art erfuhr sie stets, wann Elodssa die Zimmer verließ, und fand sich sofort bei ihm ein.
Beide verhielten sich betont höflich und kalt zueinander. Beide fühlten sich unwohl dabei. Alle Spaziergänge endeten damit, dass Elodssa in Wut geriet und in die Zimmer zurückkehrte, deren er so überdrüssig schien. Als dann der Zeitpunkt gekommen war, den er dem Zwerg genannt hatte, seufzte der Elf erleichtert auf. Er brach auf, ohne dass Midla es bemerkte. Diesmal hatte Elodssa den Zwerg, der ihn führte, nicht in Kenntnis gesetzt, denn er argwöhnte, dass Midla dank des Zwergs über seine Ausflüge Bescheid wusste.
Den Weg zum Förderkorb fand er ohne Schwierigkeiten. Hier standen einige Gnome in Rüstungen und mit Streithacken. Die Bartträger stritten gerade heftig.
»Guten Tag, verehrte Herren«, begrüßte Elodssa sie.
»Was soll gut sein an dem Tag?«, knurrte einer der Gnome. »Habt Ihr noch nicht gehört, was geschehen ist?«
»Nein. Was?«
»Am einhundertfünfzehnten Tor, das ist ziemlich weit von hier, im Hinterbergland, ist der Posten gemeuchelt worden. Fünfzehn Zwerge und genauso viele Gnome sind umgekommen.«
»Wisst Ihr, wer das getan hat?«
»Nein.« Der Gnom blickte finster. »Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Geschmeiß in unser Königreich eindrang.«
»Vielleicht ist dem so. Aber weshalb deswegen ein Fass aufmachen?«, fragte ein anderer Gnom böse. »Bis zum einhundertfünfzehnten Tor sind es achtzig Leagues! Kein Sterblicher, sofern er kein Gnom oder Zwerg ist, schafft es, hierher vorzudringen! Er verirrt sich in den Stollen!«
»Und wenn nicht?«, wandte der Erste ein.
»Und wenn Fledermäuse plötzlich sehen können?!«, giftete der Gnom. »Wie viel Zeit ist inzwischen vergangen? Eben! Und niemand hat uns angegriffen! Wer auch immer das gewesen sein mag, er wird sich nicht in die Tiefe vorwagen! Er hat die Wache ermordet und ist wieder abgezogen!«
»Gut! Aber wir sollen hier Wache stehen, also werden wir das auch tun!«, sagte ein anderer Gnom einlenkend. »Wohin wollt Ihr?«
Die letzten Worte galten Elodssa.
»Zu Meister Frahel.«
»Ist das in der zweiundfünfzigsten Ebene? Steigt ein! Wisst Ihr, wie Ihr zu ihm kommt?«
»Nicht genau.«
»Biegt fünfmal an jeder zweiten Kreuzung nach links ab! Dann an den nächsten sechs Kreuzungen geradeaus und schließlich in den dritten Gang wieder nach links. Werdet Ihr das finden?«
»Ja, danke.«
»He, Männer!«, schrie einer der Gnome in den Schacht hinauf. »Hier will jemand in die zweiundfünfzigste Ebene runter!«
»Wird erledigt!«, kam es von oben.
Der Förderkorb erzitterte und glitt in die Tiefe.
Frahel ließ sich mit einem Seufzer der Erleichterung gegen die Stuhllehne fallen. Seine Augen und Hände schmerzten. Tausende feiner glühender Nadeln bohrten sich ihm in die Pupillen. Er musste unbedingt eine Pause einlegen, und sei sie noch so kurz. Der Zwerg war zufrieden mit dem Werk, das er in der Woche geschaffen hatte. Etwas Besseres als diesen Schlüssel würde er vermutlich nie wieder vollbringen.
Die Arbeit hatte Frahel gefesselt, sein Können herausgefordert und ihm völlige Hingabe abverlangt. Nun war
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