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Schattenwanderer

Schattenwanderer

Titel: Schattenwanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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oder jemanden erpresst zu haben. Der Strafdienst konnte einen Tag, aber auch ein Jahr dauern und bestand darin, das ewige Gesäusel der Priester zu ertragen und keinem einzigen Besucher Geld abzuknöpfen.
    An mir defilierte ein Pärchen dieser Unglücksraben vorbei. Ihre Blicke glitten über meine Figur und suchten etwas, das ihnen Grund gab, mich zu schikanieren und mir den Schaft ihrer Waffe so in die Seite zu bohren, dass die Priester es nicht bemerkten. Ich lächelte ihnen mild zu, ja, ich konnte mich nicht einmal zurückhalten, den finster dreinblickenden Männern zuzuwinken.
    Wer ließe es sich denn auch entgehen, einen sicher im Käfig sitzenden Riesen zu reizen?! Die Soldaten blickten noch mürrischer drein und richteten ihre Waffen auf mich. Wie ich vermutet hatte, kamen sie damit nicht allzu weit. Gleichsam aus dem Nichts tauchte ein Priester auf, um ihnen eine Moralpredigt zu halten. Auf die unrasierten Visagen der beiden Soldaten schlich sich ein derart gelangweilter und schmerzlicher Ausdruck, dass mir beinahe die Tränen gekommen wären. Den Jungs ist es nämlich strikt verboten, den Priestern zu widersprechen.
    Ich überließ es dem Priester, mit den beiden fertigzuwerden. Ein mit quadratischen Platten ausgelegter Weg führte um einen Springbrunnen, der zeigte, wie ein Ritter mit seiner Lanze einen ausgewachsenen Oger attackiert, und brachte mich in den Innenhof der Anlage, in dem die Statuen der Götter standen. Zwischen ihnen wuselten Bittsteller und Besucher aus der Stadt und der näheren Umgebung herum. Die meisten Pilger kamen jedoch aus anderen Teilen des Königreichs, manchmal sogar aus anderen Ländern. Da sie jedoch vor allem zum Frühjahrsfest der Götter herbeiströmten, fand ich zurzeit nicht allzu viele Menschen vor. Nur an der Statue Sagras hielten sich mehr von ihnen auf. Ihre Kleidung wies sie als Soldaten aus.
    Gelangweilt betrachtete ich die elf Statuen von Frauen und Männern. Vor mir standen die Götter Sialas. Mein Blick blieb auf dem Postament ruhen, auf dem die zwölfte Figur hätte stehen sollen. Die Statue Sagoths.
    Früher hatte es einmal eine Statue Sagoths gegeben. Eine einzige. Keine Ahnung, warum nicht mehr Standbilder vom Gott der Diebe angefertigt worden waren, vielleicht wollte er ja keine unnötige Aufmerksamkeit auf seine Person lenken? Die Statue hatte im Verbotenen Viertel gestanden (das damals natürlich noch nicht so hieß), auch, als es zur Geschichte mit dem Horn des Regenbogens kam. Danach konnte niemand eine neue Statue Sagoths schaffen, denn der Bildhauer war ebenfalls dort geblieben, hinter der sogleich errichteten magischen Mauer. Und heute wussten nicht einmal mehr die Priester, wie Sagoth auszusehen hatte, weshalb sie es auch lieber nicht wagten, einen Gott zu lästern, und den Sockel seither leer ließen. Zumal der Gott nichts dagegen einzuwenden hatte – denn noch nie hatte ein Priester diesbezüglich Zeichen wahrgenommen, es sei denn nach der fünften Kanne Wein. Kurz und gut, heutzutage zierte alle Tempel ein leerer Marmorsockel ohne Statue.
    Auf dem Postament im Hof der Tempelanlage saß ein Bettler im Schneidersitz, die Füße in dreckigen Schuhen. In der vorgestreckten Hand hielt er eine grob getöpferte Schale. Dergleichen erachteten die Priester erstaunlicherweise nicht als Gotteslästerung. Mich packte die Neugier. Unter dem Blick der Statuen ging ich auf den Bettler zu. Unterdessen nahm ich den Umhang ab und rollte die Armbrust darin ein. Allmählich wurde es Zeit, meine Kleidung gegen eine leichtere einzutauschen, die dem sommerlichen Wetter entsprach.
    »Ein nettes Plätzchen«, sprach ich den Bettler freundlich an und blieb vor ihm stehen.
    Er äugte unter seiner dunklen Kapuze hervor, die das Gesicht verschattete, und schüttelte die Schale für die Spenden.
    »Ist das bequem? Werden dir die Beine nicht taub?«, fragte ich und gab mir den Anschein, seine Geste nicht zu bemerken.
    »Es ist durchaus bequem, sogar weit bequemer als deine Lage, Garrett der Schatten«, erklang eine amüsierte Stimme.
    »Kennen wir uns?« Langsam ärgerte ich mich darüber, dass offenbar jede Ratte in Awendum Garrett den Schatten kannte.
    »Nein.« Der Bettler zuckte die Achseln und bewegte die Schale erneut auffordernd hin und her. »Aber ich habe von dir gehört.«
    »Nur Gutes, will ich hoffen.« Ich hatte bereits jedes Interesse an dem Bettelbruder verloren und wollte schon den Weg einschlagen, der von hohem Gras überwuchert war und tiefer ins Gelände der

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