Schattenwanderer
tumbe, blutdürstige Menschenfresser verwandelt hatten, sondern alle Nordlande beherrschten.
Die Magie, die Leichen belebt, verzögert ihre Verwesung, weshalb die Untoten einige Jahrzehnte in diesem Zustand zubringen können, bevor sich die Zeit ihrer erbarmt und ihr Fleisch mordet. Sonnenlicht löst ihren Körper auf wie kochendes Wasser ein Stück Zucker. Deshalb leben Zombies vornehmlich in Höhlen, verlassenen Stollen, Grüften oder in den Kellern alter Häuser. Nur nachts kriechen sie aus ihren Löchern, auf der Suche nach Nahrung. Man kann diese Kreaturen durchaus töten. Es ist nicht ganz einfach, aber ein guter Schwertkämpfer wird mit einem gemeinen Zombie durchaus fertig und verwandelt ihn in Brei. Hervorragende Wirkung zeigen auch magische Lichtkristalle, die ihr Fleisch zerstören, oder Feuer. Nur hat man all das meist nicht zur Hand, wenn man auf eine wandelnde Leiche trifft.
Ich hatte mir sowohl Feuerbolzen als auch Lichtkristalle besorgt. Allerdings wollte ich mir beides für Hrad Spine aufsparen. Zombies sind im Grunde nicht so grauenvoll, wie man es sich des Nachts am Lagerfeuer oder in Schenken erzählt. Das kann ich guten Gewissens behaupten. In meiner Jugend bin ich einmal auf der Suche nach Schätzen durch Ols Stollen gestreift und auf zwei solcher Kreaturen gestoßen. Die dummen, hungrigen und behäbigen Wesen wollten einfach nicht in ihren Gräbern liegen. Ihnen zu entkommen war ein Kinderspiel, vor allem da es sich nicht um sogenannte Frischlinge gehandelt hatte, sondern um halb verfaulte Wesen, die sich, da ihnen die meisten Muskeln, Sehnen und manchmal auch Knochen fehlen, nur mühevoll vorwärtsbewegen können. Man muss bloß aufpassen, ihnen nicht in die hakenartigen Finger zu geraten, denn dann überlebt man die Begegnung nicht. In den Körper seiner Beute verbeißt sich ein Zombie nicht schlechter als ein Imperiumshund.
Das Schmatzen erklang mit neuer Kraft. Es würgte mich vor Ekel. Mir war völlig unklar, wie der Zombie hier hergekommen sein konnte. Bis zur Friedhofsstraße war es recht weit. Machen diese Monster einen Abendspaziergang vor dem Schlafengehen? Und warum gab es hier nach dreihundert Jahren überhaupt noch Zombies? In dieser Zeit hätte sich jeder anständige Untote in Asche verwandelt, ob er wollte oder nicht. Also gut, schreiben wir die flanierenden Zombies den Seltsamkeiten des Verbotenen Viertels zu.
Ich nahm das vorsorglich mitgebrachte Fleisch in die linke, die kurze Klinge in die rechte Hand. Im Notfall würde mich die Silberkante der Schneide eine Weile schützen. Nein, Zombies krepieren nicht am Silber, aber sie werden noch behäbiger und äußerst langsam. Bekommt ein Zombie einen silbernen Pfeil in die Brust, vergisst er manchmal sogar seine Beute. Vorübergehend. So lange, bis ein allzu verwegener Kerl auf die Idee verfällt, der vermeintlich zum zweiten Mal gestorbenen Kreatur den wertvollen Pfeil aus der Brust zu ziehen. In der Regel nehmen solche Helden ein schlimmes Ende, und ihre Gebeine werden nicht einmal bestattet, da, offen gesagt, nichts übrig ist, was bestattet werden könnte.
Das Röcheln erklang hinter einem soliden roten Ziegelbau. Massive Stahlläden sicherten die Fenster des Hauses, die schwere Stahltür würde selbst den frontalen Aufprall einer Kugel aus der Kanone der Gnome aushalten. In der Fassade stand in großen Buchstaben:
B NKH US HIRGS N U D SÖ N
Obwohl einige Buchstaben fehlten, hätte selbst ein Doralisser gewusst, wie die Inschrift lautete: BANKHAUS HIRGSAN UND SÖHNE. Ein recht bekanntes und reiches Gnomengeschlecht.
Da lag sie also, die Gnomenbank. Bis hierher hatte For es geschafft. Aber er war nicht in das Gebäude hineingekommen und unverrichteter Dinge abgezogen. Vorsichtig spähte ich um die Ecke. Der bestialische Gestank verfaulenden Fleischs schlug mir entgegen. Vor mir stand ein Zombie, der seinerseits um die Hausecke lugte.
Der Untote war schon etwas abgelagert. Er hatte nur noch einen Arm, auf der rechten Seite lagen die Rippen bloß und schimmerten fahl im Mondlicht, die Haut zeigte eine schmutzig graugrüne Farbe, ein Augapfel fehlte, die Lippen waren seit Langem verwest. Er setzte ein sardonisches Grinsen auf und fletschte die wenigen, mit frischem Blut überzogenen Zähne. Ein zweiter Untoter stand mit dem Rücken zu mir. Vom schwarzen Fleisch hoben sich die weißen Flecke der Wirbel deutlich ab. Er hatte sich noch nicht satt gegessen und überließ sich begeistert seinem Tun: Röchelnd und
Weitere Kostenlose Bücher