Schattenwanderer
wahnsinniges Lachen aus. Die Anspannung der bereits überstandenen Begegnungen hielt mich immer noch gepackt. Das Blut hämmerte in meinen Ohren wie die Kampftrommeln der Orks und erfüllte die Sommernacht mit einer Art Lebensrhythmus.
Genug! Der Kontemplation konnte ich mich später noch überlassen. Falls es ein Später gab. Ich stand auf, kletterte über die gerippten Dachziegel, löste das Seil vom Dach, das sich daran festgesogen hatte – wie ein hungriger Blutegel an einem unbedarften Schwimmer im Fluss des Kristallenen Traums. Anschließend rollte ich es fest zusammen und befestigte es an meinem Gürtel, steckte die Klinge weg – die ich am Ende gar nicht benötigt hatte – und sah mich um.
Der Mond ergoss sein berückendes Silberlicht über die Welt. Nirgends gab es Schatten. Die Dächer lagen gleich einer wundersamen Ebene aus Ziegeln, rostigen Schornsteinen und zerbrochenen Wetterhähnen vor mir. Hier oben war es taghell, und wenn jemand vom Nachthimmel auf die Dächer blickte, sähe er mich so klar wie eine fette Kakerlake auf einem Esstisch.
Die Häuser standen eng beieinander, der Abstand zwischen den Dächern war geradezu lächerlich. Ich würde mich fortbewegen, als flanierte ich über eine breite Straße. Leicht und schnell, zumal die Dächer fast ausnahmslos flach waren. Es war eben die alte Bauart, in der es noch keine Spitzdächer gab wie in späteren Zeiten. Ich lud die Armbrust wieder mit einem Feuerbolzen, auf dass er in trauter Nachbarschaft mit einem gewöhnlichen Bolzen der Dinge harrte.
Unten röchelten die Zombies noch immer. Grinsend beobachtete ich, wie der Einarmige, inzwischen fuchsteufelswild, versuchte, die solide Tür der Gnomenbank einzuschlagen, um ins Innere des Hauses vorzudringen und mich zu schnappen. Er würde noch seine Gelegenheit haben, Garrett zu verschmausen. In rund sechshundert Jahren. Ich grinste noch einmal, wechselte die Armbrust von einer Hand in die andere und wollte schon weitergehen, als ich etwa zwölf Yard vor mir ein gewaltiges Loch im Dach entdeckte.
Die Zeit hatte sich mit ihren erbarmungslosen, unermüdlichen Zähnen da durchgefressen, wo für keinen einzigen Dieb in Awendum ein Durchkommen gewesen war. Sie hatte eine Bresche in die Bank geschlagen. Die Versuchung war groß, hinunterzuklettern und in Erfahrung zu bringen, ob der Klan der Hirgsans tatsächlich so reich war, wie die Gerüchte der Menschen behaupteten. Aber das Geld hätte mich jetzt nur gestört, außerdem verlangte es mich nicht sonderlich danach, in den dunklen Schlund dieses Loches zu krauchen, vor allem weil das Dach drumherum nicht stabiler als die Flügel eines Nachtfalters sein dürfte und folglich zusammen mit meiner Person prompt einstürzen und den armen Garrett ins finstere Ungewisse befördern würde.
»Möge doch der nächste Kühne dieses Loch für einen Besuch in der Bank nutzen«, murmelte ich und setzte meinen Weg fort.
Nichts war jetzt kostbarer als die Zeit, die mir noch blieb. Ich musste mich beeilen, damit mich die ersten Speerspitzen der Sonnenstrahlen nicht im Verbotenen Viertel trafen. Ich rannte los und sprang von Dach zu Dach. Rannte und sprang. Rannte und sprang. Nach zwei Blöcken schnaufte ich wie ein erregter Eber.
Einmal gab ein loser Dachziegel unter mir nach, ich stolperte, rollte zum Rand und darüber hinaus, vermochte mich aber wie durch ein Wunder am Gesims festzuhalten. Sagoth sei Dank, ich schaffte es sogar wieder aufs Dach. Ein andermal brach das ganze Dach unter meinen Füßen weg. Ich sprang flugs aufs nächste, das Donnern der herabfallenden Ziegel und Bretter im Rücken.
»Das war knapp!«, brummte ich und beobachtete, wie aus dem Haus, auf dem ich mich eben noch befunden hatte, jahrhundertealter Staub aufstieg, aufgewühlt von den herabfallenden Brettern.
Nun, ohne Dach, stand das Haus wie eine Waise mit nackten Mauern. Der Staub, der träge im Mondlicht aufwölkte, nahm die Umrisse eines gewaltigen Menschenschädels an. Ich wollte lieber nicht abwarten, wie das alles endete, und eilte zur Straße der Magier, die nicht mehr fern war.
Ein paar Mal noch bekam ich weitere Zombies zu Gesicht, die unbeholfen über die Straße der Schlafenden Katze zogen. Beim ersten Mal hörte ich eines dieser Monster hundert Yard von mir entfernt. Der Untote röchelte unten, während er langsam und wie ein Vogel hüpfend die halbdunkle Straße hinunterging. Zum Glück legte das Monster den Kopf nicht in den Nacken, um sich am Vollmond zu ergötzen, und
Weitere Kostenlose Bücher