Schattenwandler 02. Gideon
erklärte er Isabella. „Aber wenn du irgendetwas brauchst und wenn du dir Sorgen machst, kannst du dich sofort an mich wenden.“
Gideon nahm sich einen Augenblick Zeit, um die schwangere Frau noch einmal genau zu mustern. Er legte die Fingerspitzen an ihr Kinn und drehte ihren Kopf sanft zur Seite, um mit einem schnellen Blick ihren Puls und ihren Blutdruck zu untersuchen. Dann fuhr er mit seiner Hand kurz über ihren gewölbten Bauch und trat von ihr weg, damit der Vollstrecker nicht spürte, dass seine Frau von einem anderen Mann berührt worden war, und sich nicht genötigt fühlte, nach dem Rechten zu sehen. Jacob hatte aus seinem Besitzanspruch auf Isabella nie einen Hehl gemacht. Jacobs enge Verbindung mit der Natur machte ihn sehr empfänglich für solch territoriales Denken, wenn es um das ging, was ihm am wertvollsten war. Der Vollstrecker konnte dieses Gefühl allerdings auch unterdrücken, wenn es unbedingt nötig war. Bella dagegen machte sich keinerlei Gedanken über solche Dinge wie Eifersucht. Sie war vielleicht das vertrauensseligste Wesen, das Gideon jemals kennengelernt hatte. Ihre unschuldige Naivität war oft so erfrischend, obwohl diese Naivität sie auch verwundbar machte gegenüber dem Schmerz, der sie als Mitglied dieser Gattung in Zukunft noch treffen würde.
Gideon hatte sich gerade ein paar Schritte von der kleinen Druidin entfernt, als eine Staubwolke in den Raum gefegt kam und die Gestalt des Vollstreckers annahm. Jacob war ein Mann von ungeheurer Macht, und obwohl er schlank und sportlich gebaut war, strahlte er diese Macht aus jeder Pore aus. Der Erddämon konnte mit einem bloßen Gedanken unglaubliche Naturkräfte beherrschen, sogar die Schwerkraft selbst. Neben den Feuerdämonen waren die Erddämonen die mächtigsten ihrer Art. Und deswegen war er ausgewählt worden, die Abtrünnigen seiner Gattung zu jagen. Sein unerbittlicher dunkler, warnender Blick, den er auf den Heiler richtete, sagte viel darüber aus, wozu er fähig war. Gideon und Jacob hatten nur einmal miteinander gekämpft. Beide waren mit einem gesunden Maß an Respekt vor den Fähigkeiten des anderen aus diesem Kampf hervorgegangen. Und seitdem herrschte eine unterschwellige Spannung zwischen den beiden, die sich nicht lösen wollte.
„Gideon“, begrüßte Jacob ihn kühl und stand im nächsten Augenblick neben seiner geliebten Gefährtin, um sie schützend in die Arme zu nehmen. Als er ihr ins Gesicht sah, trat eine Zärtlichkeit in seine Züge, an die Gideon sich, wie er glaubte, niemals gewöhnen konnte. Er war fast erleichtert, als Jacobs ziemlich feindseliger Blick sich wieder auf ihn richtete. „Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, dass du mich vorwarnst, bevor du zu Isabella gehst“, sagte er so tonlos, dass es äußerst bedrohlich klang.
„Ich hatte erwartet, dass Isabella dich selbst warnt. Schließlich steht sie ständig in mentalem Kontakt mit dir und nicht ich.“
„Und du könntest genauso gut zuerst bei mir vorbeischauen, bevor du bei ihr erscheinst.“
„Du hast gejagt, Jacob. Ich habe beschlossen, dich deine Aufgabe in Ruhe beenden zu lassen. Das war nur ein kurzer Besuch. Und wie du siehst, werden wir gut bewacht.“
Gideon deutete auf Legna, der es in bemerkenswerter Weise gelungen war, sich praktisch unsichtbar zu machen. Auch Isabella schien plötzlich zu bemerken, dass sie die Anwesenheit ihrer Freundin völlig vergessen hatte. Aber jetzt schenkte die große elegante Frau den angespannt wirkenden Wesen, die auf der anderen Seite des Raums standen, ein beruhigendes Lächeln.
„Jacob, schön, dich zu sehen.“
Jacob grinste Legna an und nickte ihr zu. „Wie geht es Noah?“
Legna hob eine Braue. „Hast du ihn im Rat gesehen?“ Ihr Blick glitt von einem Vollstrecker zum anderen und dann zu Gideon. „Ich habe gehört, dass Noah den ganzen Morgen mit euch beratschlagt hat, wie wir der Bedrohung durch die Nekromanten begegnen sollen.“
„Ja, das stimmt. Aber er wa r … sehr unruhig, nachdem er Daniel unter dem Ratstisch entdeckt hatte“, berichtete Jacob.
„Und er hat sich wie immer mit Ruth gestritten“, fügte Isabella hinzu und verdrehte die Augen, woran deutlich zu erkennen war, was sie über die Älteste dachte. „Wir alle haben mit ihr gestritten. Ich sage euch, von dieser Frau kriege ich noch ein Magengeschwür.“ Isabella schmiegte sich an ihren Mann. „Ich glaube, sie gibt Jacob immer noch die Schuld am Tod des Partners ihrer jüngsten Tochter. Aber das ist
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