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Schattenwandler 02. Gideon

Schattenwandler 02. Gideon

Titel: Schattenwandler 02. Gideon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
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Gideon. Und natürlich würde sie lieber in der Hölle schmoren, als ihn etwas derart Privates zu fragen. Doch jetzt war er hier, als hätte sie ihn in Gedanken gerufen. Selbstsicher wie immer stand er da und sah sehr elegant und makellos aus in der altertümlichen Kleidung, die er viel lieber trug als irgendwelche modernen Sachen. Diesmal war er von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet. Er trug Kniehosen aus einem weichen, baumwollähnlichen Stoff, die saßen wie angegossen. Dazu hellbraune, fast schon beige Lederstiefel. Sie reichten ihm bis knapp unters Knie, sodass er aussah, als wollte er reiten gehen. Dazu trug er wie immer ein Seidenhemd mit langen, weiten Ärmeln, die in Manschetten aus zarter Spitze endeten. An seinen langen eleganten Fingern mit den makellos manikürten Nägeln trug er einen einzigen Ring mit dem Siegel des Heilers.
    „Gideon“, sagte sie ruhig und neigte mit verhaltenem Respekt den Kopf. „Was führt dich so kurz vor dem Morgengrauen zu mir?“
    Der Urälteste schwieg, nur sein silberner Blick glitt langsam über ihren Körper. Vor Schreck blieb ihr fast das Herz stehen, und sie errichtete jede mentale und physische Barriere, die ihr zur Verfügung stand, damit er ihren Gesundheitszustand nicht analysieren konnte.
    „Ich würde dich nicht untersuchen ohne deine Erlaubnis, Magdelegna. Körperdämonen, die zu Heilern werden, haben ihre ethischen Grundsätze wie alle anderen auch.“
    „Komisch“, erwiderte sie. „Ich habe gedacht, dass du über so banalen Dingen wie einer Erlaubnis stehst.“
    Seine quecksilberfarbenen Augen verengten sich etwas, und Legna wünschte, sie hätte den Mut, ihn ihrerseits zu scannen.
    Es gelang ihr immer gut, ihre Erkundung der Gefühle und der Psyche von anderen zu maskieren, aber Gideon bildete da eine Ausnahme. Im Vergleich zu ihm war sie eine blutige Anfängerin.
    „Ich wollte sehen, ob es dir gut geht, Magdelegna. Ich mache mir Sorgen.“
    Legna hob eine Braue, verzog die Lippen zu einem kühlen, spöttischen Lächeln und versuchte, das plötzliche panische Klopfen ihres Herzens zu verbergen.
    „Und wie kommst du darauf, dass du dir Sorgen um mich machen musst?“, fragte sie hochmütig.
    Wieder ließ Gideon sich Zeit mit einer Antwort und warf ihr erneut einen unerbittlich prüfenden Blick zu. Verärgert holte Legna Luft, verschränkte die Arme vor der Brust und hätte beinahe ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden getippt.
    „Du ruhst nicht in dir, junge Frau“, erklärte Gideon sanft, und seine tiefe Stimme ging ihr durch und durch. Wieder hatte sie das Gefühl, als wäre sie aus zerbrechlichem Glas und müsste jeden Moment zerspringen. Legnas Atem ging schneller, obwohl sie sich bemühte, die Fassung zu bewahren. Sie wollte nicht zugeben, dass er recht hatte.
    „Du machst dir zu viele Gedanken, Gideon. Ich brauche deine Sorge nicht, und ich habe auch nie darum gebeten. Wenn du nichts dagegen hast, würde ich jetzt gern ins Bett gehen.“
    „Wozu?“
    Legna lachte kurz und scharf. „Um zu schlafen, wozu sonst?“
    „Du hast viele Tage hintereinander nicht geschlafen, Legna. Wie kommst du darauf, dass du heute schlafen kannst?“
    Legna drehte sich brüsk um und starrte aus dem Fenster, in der Hoffnung, dass der Anblick des weitläufigen Rasens sie beruhigen würde. Er war zwar kein Geistdämon, aber sie wusste, dass er in der Lage war, aus ihren körperlichen Reaktionen auf seine Beobachtungen ihren emotionalen Zustand zu erkennen. Legna biss sich heftig auf die Unterlippe. Sie war wütend, dass er sie immer wie ein Kind behandelte und dass sie sich auch so fühlte. Sie war jung, das schon. Wie würde er es finden, wenn sie ihn als altersschwachen Vogel bezeichnete?
    Der Gedanke verschaffte ihr ein lächerliches Gefühl der Befriedigung. Es zählte nicht, dass Gideon so kraftvoll und lebenssprühend aussah wie jeder männliche Dämon zwischen dreißig und tausend Jahren auch. Und es zählte ebenso wenig, dass seine verblüffende Hautfarbe ihm eine einzigartige Attraktivität und eine Aura von Macht verlieh, wie niemand sonst sie besaß. Das Einzige, was zählte, war, dass er sie nie als gleichberechtigt akzeptieren würde, und sie daher ihrer Ansicht nach auch nicht verpflichtet war, es umgekehrt zu tun.
    Gideon musterte die junge Frau ihm gegenüber genau und versuchte, sich einen Reim auf die physiologischen Veränderungen zu machen, die in schnellem Wechsel durch sie hindurchjagten und von denen eine verwirrender war als die andere. Was

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