Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwandler 02. Gideon

Schattenwandler 02. Gideon

Titel: Schattenwandler 02. Gideon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacquelyn Frank
Vom Netzwerk:
Anwesen, die sonst zur Verfügung standen.
    Der Morgen graute, und eigentlich hätte sie müde sein müssen und zu Bett gehen und sich während des Tages in dem warmen, lichtdurchfluteten Raum zusammenkuscheln sollen. Legna warf einen Blick auf das riesige Himmelbett hinter ihr und ging hinüber, um über die schweren Vorhänge zu streichen, die sie vor Jahrzehnten hatte anfertigen lassen. Die Szenen, die darauf abgebildet waren, zeigten alle, die sie damals geliebt hatte und von denen die meisten immer noch lebten. Sie berührte die Gestalt eines dunkelhaarigen fröhlichen Dämons, der in den Darstellungen immer wieder abgebildet war.
    Lucas.
    Ihr Siddah, ihr Mentor. Dieser Mann war für sie zu einem Vater geworden ebenso wie ihr Bruder, nachdem ihr richtiger Vater gestorben war. In ihrem Leben hatte es nie an starken Männern gefehlt, und sie hatte jeden von ihnen angebetet. Sie alle hatten ihr sehr viel beigebracht, sie hatten sie zu dem gemacht, was sie heute war, und eine perfekte ausgewogene Mischung zwischen Führung und Freiheit gefunden, zwischen Disziplin und Entspannung.
    Und jetzt war Lucas tot, genau wie ihr Vater und wie ihre Mutter. Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, um die Bilder von Lucas zu verdrängen. Der liebe Lucas, gefangen in einem Pentagramm direkt gegenüber von ihr. Und er hatte ihr größtes Geheimnis hinausgespien, ihren Kraftnamen, sodass alle ihn hören und nun gegen sie einsetzen konnten. Sein Körper und seine Seele verwandelt in ein Monster ohne jede Moral.
    In dieser Nacht hatte Legna erfahren, was es heißt, ein anderes Wesen wirklich zu hassen. Sie hätte nie geglaubt, dass sie dazu in der Lage wäre, aber das Gefühl hatte in ihren Adern gebrannt wie ein Gift, in jeder Zelle unter ihrer Haut, und sie war sicher, dass die Bösartigkeit aus ihren Poren sickerte. Es war genau in dem Moment über sie gekommen, als sie endlich einen der vier menschlichen Magier erwischt hatte, die für die Verwandlung und schließlich für das Ende von Lucas verantwortlich gewesen waren. Sie hatte in Wut gehandelt, und sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben erfahren, was es bedeutete, wenn sie ihren animalischen Instinkten freien Lauf ließ.
    Diesem Naturtrieb folgend hatte sie ihre Hände um den Hals des Nekromanten gelegt, der es gewagt hatte, sie und ihren Mentor gefangen zu setzen. Das Raubtier in Legna hatte sich geweigert loszulassen, und sie war mit ihrem Geist in die Psyche des Nekromanten eingedrungen und hatte aus seinem Geist eine Hölle gemacht, bis das verwerfliche Wesen an den entsetzlichen Bildern in seinem eigenen verzerrten Verstand gestorben war.
    Was Legna dabei Angst machte, war nicht die Tatsache, dass sie offenbar in der Lage war, jemanden zu töten, sondern dass es sie mit so großer Genugtuung erfüllt hatte. Ihr war, als hätte sie noch nie ein solches Vergnügen empfunden wie in diesem Augenblick.
    Es hatte Stunden gedauert, bis dieser Rausch sich wieder gelegt hatte. Und noch einmal etliche Tage, bis dieses Hochgefühl ganz verschwunden war. Danach hatte sie sich vollkommen ausgelaugt gefühlt. Und im Grunde war sie sich nicht sicher, ob sie die darauf folgende Leere in sich überhaupt schon überwunden hatte. Hatte sie es so genossen zu töten? Oder war es einfach nur der Gedanke an Rache gewesen, der sie getrieben hatte? Als Dämonin hatte sie nie einen Grund gehabt zu glauben, dass Selbstverteidigung oder Vergeltung etwas Schlechtes war, solange man sich strikt an die Gesetze hielt. Doch diese Nachwirkungen hatten sie zutiefst verstört, und auch fünf Monate später hatte sich das noch nicht geändert.
    Plötzlich stellten sich ihre Nackenhaare auf, und sie schreckte aus ihren Gedanken hoch. Sie hob den Kopf und schickte ihre Sinne aus wie eine Böe, die über das Wasser glitt, um herauszufinden, was für eine Störung nahte.
    Denn da nahte etwas. Da war sie sich sicher.
    Und kaum war ihr der Gedanke durch den Kopf gegangen, als sich mitten im Raum aus einem grellen Blitz auch schon Gideons imposante Gestalt materialisierte. Da die Luft nicht nach Schwefel roch, wie es normalerweise der Fall war, wusste Legna, dass der Geistdämon, der den Heiler zu ihr gebracht hatte, älter, stärker und erfahrener gewesen sein musste als sie.
    Die Ankunft des Ältesten in diesem besonderen Augenblick verstörte sie zutiefst. Wenn es jemanden unter ihren Leuten gab, der die Bedeutung der Veränderungen, die mit ihr vorgingen, ermessen konnte, dann war das wahrscheinlich

Weitere Kostenlose Bücher