Schattenwandler 02. Gideon
kommt daher, weil du das Nesthäkchen bist. In seinen Augen machst du nie etwas falsch. Ich sage es nicht gern, aber du bist schrecklich verzogen.“
„Ach ja? Na dann will ich mal sehen, wie es dir gehen würde, wenn du fast dreihundert Jahre lang Hausdiplomat für zwei Feuerdämonen sein müsstest. Und dann sag mir noch mal, dass ich es leicht gehabt habe“, forderte sie ihn heraus.
„Vielen Dank. Darauf kann ich verzichten.“
Lachend prosteten sie einander zu.
Ungefähr eine Stunde später materialisierte Legna sich in Gideons Salon. Er saß hinter ihr im Dunkeln, und sie drehte sich neugierig zu ihm um.
„Gideon?“
Als er nicht antwortete, trat sie näher zu ihm hin. Und in diesem Augenblick erkannte sie, dass er eigentlich gar nicht da war. Seine äußere Gestalt saß zwar in einem großen Sessel, aber sein Astralwesen befand sich an einem anderen Ort. Es war ein sehr seltsames Gefühl, bemerkte sie, dass er ihr körperlich nah und doch geistig so fern war. Er hatte ihr Erscheinen gar nicht bemerkt, da er auf etwas völlig anderes konzentriert war. Sie nutzte den Augenblick, um ihn noch einmal genau zu betrachten.
Langsam ging sie um den Sessel herum und musterte ihn von allen Seiten. Sie wusste nicht, warum sie immer wieder den Drang verspürte, ihn sich so genau anzusehen, aber sie konnte nicht anders. Nachdem sie einmal um ihn herumgegangen war, blieb sie wieder vor ihm stehen. Er war allein da, wo er sich gerade befand. Es war fast so, als befände er sich auf einem einsamen spirituellen Spaziergang. Geistdämonen waren Experten in Meditation, und sie spürte das durch ihre Erfahrung und durch ihre Macht wie auch durch ihre Verbindung zu ihm. Trotzdem schwieg sie in seinem Bewusstsein, während sie sich zwischen seine Beine kniete und ihre Hände auf seine Schenkel legte. Sie strich mit der Hand über seine harten Muskeln hinauf und fuhr mit den Fingernägeln wieder zurück.
Bei der Berührung zuckte Gideon zusammen. Sie durchbrach absichtlich die Konzentration, die er auf seine Projektion richtete, vielleicht einfach nur, um es auszuprobieren. Sie beugte sich vor, bis sie mit den Lippen seinen Mund berühren konnte.
Der Kuss holte ihn mit einem Ruck zurück.
Sofort fasste Gideon nach ihr und umschloss mit seinen Händen zärtlich ihren Kopf. Legna spürte seine festen Schenkel an den Seiten, während er die Führung des Kusses übernahm und daraus eine fast brutale Eroberung machte. Sein Mund bestrafte sie, und sie nahm es willig hin als Sühne dafür, dass sie ihn mutwillig gestört hatte. Seine Finger fuhren durch ihr schweres Haar, und er packte sie fester. Dann riss er sich von ihren wund gewordenen Lippen los und drückte seine Stirn auf ihren Mund, während sie beide versuchten, wieder zu Atem zu kommen.
„Du gehörst mir“, flüsterte er rau. Er wollte sich gegen diesen Besitzanspruch wehren, er wusste, wie lächerlich das war, aber er konnte es nicht. „Du gehörst mir, Magdelegna, und es fällt mir unglaublich schwer, dich gehen zu lassen, auch wenn es nur für eine kurze Zeit ist.“
„Ich weiß“, erwiderte sie leise und presste ihre weichen Lippen erneut auf seinen Mund. Sie küsste ihn aus tiefster Seele, und er spürte, dass sie ganz aufrichtig war. Das beruhigte ihn sehr, und er lockerte seinen Griff und legte seine Hände auf ihre Ohren, sodass er mit den Daumen sanft über ihre geröteten Wangen streicheln konnte. „Es ist so schwer“, seufzte sie. „Wie kann man ein Individuum bleiben, wenn man auch Teil eines Paares ist, das sich so heftig zueinander hingezogen fühlt?“
„Irrational oder berechtigt, es ist nun mal, wie es ist.“
Gideon erkannte selbst die Logik darin, noch während er es aussprach. „Vielleicht wird es irgendwann weniger intensiv. Ich will dir nicht deine Individualität nehmen, noch möchte ich meine eigene verlieren. Es ist auch für mich schwe r … Mein ganzes Leben lang bin ich immer allein gewesen, und jetzt habe ich auf einmal so eine vereinnahmende Begleiteri n … Ich fürchte, ich kann dir nicht gerecht werden. Und für dich wird es noch schlimmer. Du erlebst gerade einen Zustrom an Macht, und das wird anstrengend werde n – um es einmal vorsichtig auszudrücken.“
„Ich weiß.“ Legna legte ihre gespreizten Finger auf die schwarze Seide, die seine Brust bedeckte. „Ich nehme an, wenn ich irgendwann durchdrehe, wirst du mich niederschlagen oder festbinden müssen.“
„Hmm. Das Letztere birgt interessante
Weitere Kostenlose Bücher