Schattenwandler 03. Elijah
Vollstrecker folgten ihr, als sie, schnell, wie sie war, zur Tür hinausstürmte.
„Das ist ihr Tod“, stieß Jacob hervor und lief hinter der aufgewühlten Frau her.
„Wieso …?“
„Die Sonne“, erklärte Jacob seiner weniger erfahrenen Gefährtin. „Sie macht sie krank. Sie vergiftet sie. Siena ist zwar stark, aber nicht so stark. Da draußen ist keine Wolke am Himmel, und nirgends ein Baum, der ihr Schatten spenden würde.“
Doch Bella wusste, was die Königin antrieb. Sie hatte einmal in Jacobs Blut gekniet, so wie gerade eben in dem von Gideon, voller Angst, dass er sterben könnte. In diesem Augenblick hätte sie alles getan, um sich dem Schicksal entgegenzustellen und sein Leben zu retten. Damals war es Gideon gewesen, der Jacob gerettet hatte, und jetzt hätten sie seine wundersamen Heilkräfte gebraucht, damit er selbst gerettet werden konnte. Aber wer konnte dieses Wunder bewirken? Bisher hatte nur Gideon solche Heldentaten vollbracht.
Doch der Arzt konnte sich in diesem Fall nicht selbst heilen.
Jacob und Bella liefen hinter der Königin her, die von ihrer katzenhaften Kraft vorangetrieben wurde. Jacob hätte mit ihr Schritt halten können, doch er wollte Bella in dieser Gefahrensituation nicht allein lassen.
Siena jagte über das Gras, doch dann wurde sie allmählich langsamer. Sie hielt gerade auf einen Wald in der Ferne zu, als ihre Schritte kürzer wurden und immer schwerer, als ob sie durch Wasser laufen würde und nicht durch Luft.
„Ich muss zu ihr. Bei diesem Sonnenschein kann sie es unmöglich schaffen“, rief Jacob seiner Frau zu.
„Halt sie auf. Mir geht es gut“, drängte Bella ihn und gab ihm einen Schlag auf die Schulter, damit er die Geschwindigkeit bekam, die er normalerweise laufen konnte.
Siena war tränenblind, doch sie achtete nicht auf die Übelkeit und auf die Schwäche, die an ihr zerrten wie tausend Klauen und sie in Stücke reißen wollten, damit sie immer langsamer wurde und kurz vor dem Ziel, das sie so verzweifelt erreichen wollte, erstarrte. Die Königin stolperte und fiel mit einem Schmerzensschrei zu Boden. Als sie taumelnd wieder auf die Beine zu kommen versuchte, konnte sie nichts mehr sehen vor lauter Tränen, die sich in ihr aufgestaut hatten.
Ein wütender Schrei hallte durch die Morgenluft, als sie sich wieder aufrappelte und sich auf allen vieren vorwärtsschleppte.
Siena erreichte den Waldrand genau in dem Moment, als Elijah auf einmal vor ihr Gestalt annahm und sie vor dem Zusammenbruch bewahren wollte. Er war überwältigt von den Gefühlen seiner Gefährtin, die ihn hierhergeführt hatten, von ihrem Kummer, der ihn angezogen hatte wie ein Leuchtfeuer. Sie war so hysterisch vor lauter Entsetzen, dass sie nicht das Geringste gehört oder gespürt hatte von dem, was er ihr zu ihrer Beruhigung übermittelte.
Als sie endlich bei ihm war, ließ sie sich schwer gegen seinen Körper fallen, und er fing sie mit ausgebreiteten Armen auf … Sie klammerte sich so fest an ihn, dass ihre Füße sich vom Boden lösten und sie ihn fast erdrückte. Sie hielt sich an ihm fest, als würde die Welt untergehen und als müsse sie sich dem Jüngsten Tag mit ihm zusammen als ein Körper und als eine Seele stellen.
Sie zog vorsichtshalber die Krallen ein, als sie sein Gesicht mit beiden Händen verzweifelt umfasste, und Tränen rannen ihr über das Fell auf ihren Wangen und tropften auf ihn. Ihre weichen Lippen bebten, als sie ihn aufschluchzend küsste. Sie war so außer sich, dass sie kaum mehr atmen konnte, als sie mit ihren weichen Pfoten hastig seinen geschundenen, wunden Leib untersuchte. Er war vom Kampf gezeichnet, aber es war nicht lebensgefährlich, denn sein unerwartetes Aufeinandertreffen mit einer Meute Magierinnen vor Gideons Haus war glimpflich verlaufen, da er sie schon von Weitem gesehen hatte und daher gewarnt gewesen war. Eigentlich war er es, der seine Gegner überrascht hatte. Er hatte mit ihnen gekämpft und sie in den Wald gejagt und dabei eine nach der anderen mit Hagelschauern, Blitzen und Sturmböen ausgeschaltet.
Er hatte erst innegehalten, als er Sienas Gegenwart und ihren Kummer und ihr Entsetzen spürte. Er hatte erst bemerkt, dass sie aufgewacht war, als sie schon ganz nah bei ihm war. Er hatte sich geirrt, als er dachte, dass sie von der Gefahr, in die er sich begab, nichts mitbekommen würde.
„Holt einen Heiler“, stieß sie schluchzend hervor, und Entsetzen und Schmerz quälten sie. „Holt einen Heiler her. Bitte. Göttin,
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