Schattenwandler 03. Elijah
deinen brillanten Verstand. Ich will morgens von deinen Haaren umschlungen aufwachen und in deine Augen schauen. Ich will lernen, was es heißt, dich wirklich zu kennen.
Elijah schloss die Augen, da sein ganzer Körper von Schmerz durchzogen wurde.
Ich bin nicht besonders geheimnisvoll, Elijah. Ich bin eine Frau, die nichts anderes will, als ihr Volk in eine Zeit des Friedens und der Behaglichkeit zu führen.
Sonst nichts, Siena? Elijah rieb sich über seine vor Qual gefurchte Stirn.
Es gibt noch etwas, was ich will.
Und das wäre?
Ich will, dass du dich mit mir triffst, Elijah.
Bei diesen Worten stieß Elijah sich von der Brüstung ab, und sein Herz begann mit einem Mal hoffnungsvoll zu schlagen. Er kniff die Augen zusammen und spähte in die Dunkelheit. Der Nachtwind strich über ihn hinweg, und die Wolken zogen über das wachsbleiche Gesicht des Mondes.
Er nahm einen schwachen, vertrauten Geruch wahr, und sein Blut geriet so in Wallung, dass ihm schwindelig wurde. Und dann sah er etwas Goldenes im Mondlicht aufleuchten.
Er schwang sich über die Brüstung und sprang zwei Stockwerke tief hinunter. Dann rannte er los, blieb jedoch stehen, als der schwache Geruch verschwand. Er blickte sich suchend um, um zu sehen, von wo das goldene Licht gekommen war, und sah plötzlich, dass etwas von den knochigen Fingern eines Astes herabhing. Er griff danach, löste es von dem Zweig und legte es auf seine flache Hand. Es war ein aus Gold und Mondstein gefertigtes Armband, das genauso kunstvoll gestaltet war wie Sienas Halsschmuck.
Sag mir, was das bedeutet, Siena, wollte er wissen.
Es ist das Armband des Gemahls der Königin, Elijah.
Mehr sagte sie nicht. Sie wusste, dass das nicht nötig war. Elijah war mit den Gegebenheiten einer Monarchie vertraut. Er wusste ganz genau, was es heißt, ein königlicher Gemahl zu sein.
Elijahs Herz hämmerte so heftig, dass er sie kaum noch hören konnte. In diesem Augenblick schien alles anders zu werden. Er konnte sich nicht mehr wehren gegen das sehnsüchtige Verlangen.
„Sag mir, wo du bist, Siena. Sag es mir jetzt gleich !“
Ich bin daheim, Elijah. Und ich warte auf deine Entscheidung.
Siena kniete vor einem schönen Steinaltar und zündete vorsichtig noch ein Stückchen von dem natürlichen, selbst hergestellten Weihrauch an, den Anya ihr zum letzten Beltane-Fest geschenkt hatte. Sie hockte sich auf die Fersen, schloss die Augen und versuchte, sich auf ihr Gebet zu konzentrieren. Doch es fiel ihr schwer, weil sie mit ihrem ganzen Sein spürte, dass er kam.
Er war noch immer durch einen Ozean von ihr getrennt, aber ihr lief bereits eine Gänsehaut über die Arme, über die Schultern und über den Rücken hinauf zum Nacken, bis das Gefühl über ihre Kopfhaut kroch und ihr Haar erwartungsvoll knistern ließ.
Ihr Gemach war erfüllt vom Geruch des Weihrauchs, der in Vorbereitung auf die kommende Nacht gemäß der Tradition schon den ganzen Tag brannte. Ebenso gemäß der Tradition hatte Siena den ganzen Tag damit verbracht, zu schlafen, zu baden, sich einzuparfümieren, sich die Haare zu waschen und sich mit verschiedenen Ölen und Lotionen einzucremen, damit ihre Haut so weich war wie nur möglich.
Eigentlich hätte sie jetzt warten sollen, bis er ihr eine klare Antwort gab auf ihren Antrag, ihr Gemahl zu werden. Aber von dem Moment an, als der Krieger begriff, was für eine Bewandtnis es mit dem Armband hatte, spürte sie in ihrem Herzen schon, dass er Ja sagte, so deutlich, wie eine Antwort nur sein konnte.
Siena stieß sich mit ihren warmen, feuchten Händen vom Boden ab und stand auf. In ihren Gemächern waren Beraterinnen, Wächterinnen und Hofdamen versammelt. Und natürlich waren Anya und Syreena bei ihr.
Sie wurde von ihnen flankiert, und jede trug ein ganz besonderes festliches Gewand mit langen, weiten Ärmeln, die aussahen wie Engelsflügel. Anyas Gewand war aus durchscheinendem grünem Stoff, einer feinen Seide, wie sie nur die ältesten und besten Kunsthandwerker schaffen konnten. In die Seide war als Muster das Bild einer Füchsin eingewoben, deren Schwanz sich um ihre Hüfte legte und an ihrem Oberschenkel hinabhing.
Syreenas Gewand war aus der gleichen durchscheinenden Seide gemacht, nur dass es eine himmelblaue Farbe hatte. Auf der einen Seite schlang sich ein Delfin um ihren Körper, auf der anderen Seite ein Wanderfalke. Funken aus Diamantstaub auf dem Stoff verstärkten die Vorstellung von einem schäumenden Ozean und von Sternenlicht am
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