Schattenwandler 04. Damien
mehr gebraucht als sie ihn.
Was ein Dauerthema bei den Frauen zu sein schien, die er in letzter Zeit angezogen hatte.
Verflucht soll sie sein!
Es war gut zwei Nächte her, dass er sie verlassen hatte. Und in der ganzen Zeit hatte sie keine Entscheidung treffen können? Warum sollte ihn das überraschen, fragte er sich. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch keine freie Entscheidung getroffen. Es würde vielleicht noch hundert Jahre dauern, bevor sie herausfand, wie man das machte.
Und er wollte verdammt sein, wenn er herumsaß und auf sie wartete.
Nicht, wenn es weiterhin so schmerzhaft war, wie es sich gerade anfühlte.
Auf einer gewissen Ebene war sich Damien seiner Allüren bewusst, der Gründe dafür und der Logik, die dahintersteckte. Doch je mehr er gegen seine Verzweiflung ankämpfte, desto größer schien sie zu werden.
Damien war so tiefe Gefühle nicht gewohnt, und er war hin- und hergerissen. Das lag daran, nahm er an, dass er jetzt das Gegenteil von dem tat, was er sonst immer getan hatte. Er handelte gegen seinen Instinkt. Sein innerer Kompass zeigte nach Russland, er sehnte sich danach, zu Syreena zu gehen und ihr zu erklären, was es bedeuten würde, wenn sie sich für ihn entschied. Doch wenn er ihre Wahl beeinflusste, wenn er sie zwang, sich zu entscheiden, würde er ihr zu viel Raum für Zweifel lassen. Wenn sie jetzt nicht an ihn glauben konnte, würde sie es nie tun. Er war überzeugt, dass alles in Syreena nach ihm schrie, so wie alles in ihm nach ihr schrie. Trotzdem kämpfte sie dagegen an, sie wehrte sich, und sie zögerte, während sie darauf wartete, dass jemand ihr sagte, welche Entscheidung die richtige war.
In ihrem Herzen und in ihrer Seele sollte sie es bereits wissen.
So wie er es wusste.
Wenn sie eine Garantie wollte, würde sie sie nur in sich selbst finden. Er hatte schon alles gesagt. Doch anscheinend war ihr das nicht genug. Wie auch? Sie traute ja nicht einmal sich selbst, geschweige denn irgendeinem anderen.
Damien machte sich auf den Weg zu seiner Bank, die wie ein zweites Zuhause für ihn geworden war. Er setzte sich gegrätscht auf den kalten Stein und umklammerte die Sitzkanten, die Hände kalt, und streckte den Kopf in den Wind, der mit winterlicher Kälte vom Ozean her blies.
Er war müde und geschwächt. Er war sich dessen bewusst. Bald wäre er gezwungen, sich entweder selbst aus seiner Schwermut zu befreien, oder er würde sich unter die Erde zurückziehen und sich vor der Welt da oben verstecken. Das war der einzige Weg, wie er überleben konnte. Wenn er in diesem Zustand verharrte, war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand ihn herausforderte. In seiner gegenwärtigen Verfassung hatte er keine große Hoffnung, zu gewinnen.
Er würde ihnen alles überlassen, während er unter der Erde schlief. Syreenas Unentschlossenheit würde ihn vielleicht langsam umbringen, aber es wäre um ihn geschehen, wenn seine gierigen Brüder über ihn herfallen würden.
Überlass ihnen alles.
Es hatte sowieso keine Bedeutung mehr.
Als Damien Stunden später erwachte, blickte er in einen Himmel, der sich in der Morgendämmerung rosa färbte.
Rasch setzte er sich auf und musste feststellen, dass er auf der steinernen Gartenbank eingeschlafen war. Als er sich aufrichtete, spürte er die volle Kraft der Morgensonne. Er zuckte heftig zusammen und versuchte mit den Händen seine Augen zu schützen, die sich vor Schmerz mit Tränen füllten. Vor ein paar Tagen, als er noch voller Kraft gewesen war, hätte er dieses frühe Morgenlicht ausgehalten. In seiner geschwächten Verfassung war das anders.
Er verfluchte sich wegen seiner Unachtsamkeit, während er mühsam aufstand und sich umdrehte, um seine Haut zu schützen. Er wollte schnell ins Haus zurück, den drängenden Gedanken an den schützenden Schatten im Kopf.
Dann, als wäre er zu dem Schluss gekommen, dass dies alles nur Einbildung war, gab er jeden Versuch auf, sich zu schützen.
Er ließ langsam die Hände sinken und wandte sich der heller werdenden Sonne zu. Da bemerkte er, wie wunderschön diese tödliche Sonne war. Auch sie war in gewisser Weise ein Räuber. Nur dass sie an der Spitze jeder Nahrungskette stand. Sie nährte sich von allem. Die Sonne verschlang die Dunkelheit mit gefräßiger Schnelligkeit. Dann naschte sie von den Schattenwandlern, als wären sie die Nachspeise. Sie saugte die Energie aus Dämonen, sie bewirkte, dass Lykanthropen mit Blasen übersät wurden und verkochten, während ihrem Körper
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