Schattenwandler 04. Damien
gemacht mit seinem vorsichtigen Eingreifen? Er hatte schon lange, bevor er die englische Königin gerettet hatte, die in bemerkenswerter Frische beinahe siebzig Jahre alt geworden war, den Überblick verloren. Er hatte immer gedacht, dass die Segnungen der elisabethanischen Renaissance einen außerordentlich wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Menschheit geleistet hatten. Es war eine Ära gewesen, die vielleicht gar nicht stattgefunden hätte, wenn die Königin in dem Jahr, als er ihr begegnet war, an den Pocken gestorben wäre.
Gab es für diese Dinge kein gutes Karma? Gab es keinen Engel der Barmherzigkeit, der ihn begleitete und der zu schätzen wusste, dass er Dutzende solcher Taten vollbracht hatte und dass es jetzt an der Zeit war, dass er selbst Freiheit, unbeschreibliche Schönheit und vor allem Liebe erleben durfte?
Sein Ausbruch hatte den Geruch nach Lavendel im Raum noch verstärkt, bemerkte er dann. Er stieg aus dem Bett und warf die Laken von sich, die er in unruhigem Schlaf um sich gewickelt hatte. Er ging hinüber zu seinem Kleiderschrank, entschlossen, sich anzukleiden und in der Nacht auf die Jagd zu gehen. Vielleicht musste er sich nicht einmal zwingen. In dem Maße, wie seine Gefühle hochkochten, wuchs auch sein Wunsch nach einer gnadenlosen Pirsch. Es war gefährlich, sich bei der Jagd nur auf die Gefühle zu verlassen, doch das war ihm gleich. Lieber wollte er sein Leben aufs Spiel setzen, um sich wiederherzustellen, als weiter in Selbstmitleid zu baden.
Doch zuerst, dachte er, während er sich eine Hose anzog, zuerst würde er diese Blumen verbrennen, um den Geruch zu vertreiben.
Damien zog sich noch kein Hemd an, sondern drehte sich um, um genau das zu tun.
Und überrannte dabei fast Syreena.
Er packte sie automatisch, um sie festzuhalten, und seine Hand umschloss dabei ihren nackten Oberarm. Er war auf der Stelle betört von der zarten Haut und dem wohlgeformten starken Muskel darunter. In dem nachtdunklen Raum konnte er ihre seltsamen Augen sehen, vor allem das graue, das ihn anblickte, als könnte es direkt durch ihn hindurchschauen.
Damien war vollkommen überrascht, dass sie da war. Doch das Aufwallen falscher Hoffnung vorhin hatte jedes positive Gefühl in ihm erschöpft. Und trotz seiner Überraschung war er noch immer ziemlich wütend. Da sie die Ursache dafür war, freute er sich nicht besonders darüber, sie zu sehen.
Das sagte er sich zumindest.
„Was willst du hier?“, fragte er kalt. „Bist du gekommen, um deinen bedauernswerten Verehrer mit deiner Unentschlossenheit und mit deinen endlosen Fragen über seine Absichten zu quälen?“
„Nein“, sagte sie, und ihre süße Stimme klang seltsam in der frostigen Atmosphäre, die im Raum herrschte.
„Geh nach Hause, Syreena!“, sagte er rau, und es gelang ihm nicht, seine Stimme unbewegt klingen zu lassen. „Ich habe nicht die Antworten, die du suchst.“
„Damie n … “
Verdammt, er hasste es, wenn sie seinen Namen aussprach! Sie tat das auf eine Weise, in einem Ton, dass sie seine Nerven damit in Schwingung versetzte. Es war unfair, dass sie Gefühle in ihm auslösen konnte, wo sie doch gleichzeitig so distanziert ihm gegenüber war. Im Gegensatz zu ihren früheren körperlichen Reaktionen auf ihn zeigte sie jetzt keinerlei Regung, jetzt, wo es darauf ankam.
„Sag nichts mehr!“, warnte er sie und hob so jäh die Hand, dass sie zusammenzuckte. „Du hattest drei Tage und drei Nächte, um mit mir zu sprechen. Die Chance ist vertan.“
Syreena verstand, weshalb er wütend war auf sie. Er hatte recht. Sie hatte tagelang um eine Entscheidung gerungen.
Eine Entscheidung, die, wie sie plötzlich festgestellt hatte, nie wirklich frei gewesen war.
Es war, als hätte Damien das von Anfang an gewusst. Sie hatte nur die Wahl, die Bedürfnisse ihres Herzens und ihres Geistes zu ignorieren, und das hatte sie auch versucht, egal, wie laut sie sich bemerkbar gemacht hatten. In Wahrheit gab es keine Wahl.
Sie war für ihn bestimmt, und er war für sie bestimmt.
Sie hatte Tag für Tag nach einem Beweis dafür gesucht, nur um festzustellen, dass es keinen gab und dass es nie einen geben würde. Der Beweis war in ihrer Seele eingeschrieben. Es war der Instinkt, der in ihr erwacht war, so als wäre in ihr und in ihm gleichzeitig ein Schalter angeknipst worden.
Doch nur er hatte das Licht gesehen, sie war davon geblendet worden.
„Damien“, widersprach sie sanft, in dem Bedürfnis, ihm zu sagen, dass sie begriffen
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