Schattenwandler 05. Noah
Ihre Finger glitten durch sein lockiges Haar, das noch immer feucht war von der Dusche, und Noah hatte das Gefühl, als hätte ihn eine Stimmgabel berührt. Die Vibration wanderte mit ein paar Pausen von ihren Fingerspitzen direkt in seine Zehen. »Schattenwandler, was?«
»Ja«, sagte er vorsichtig, weil er sich nicht sicher war, wohin ihr Geist gerade wanderte. »Dämonen … meine Leute. Vampire. Lykanthropen, Mistrale, Schattenbewohner und seit Kurzem Druiden, wie du selbst einer bist. Obwohl die kombinierte DNA es dir ermöglicht, in die Sonne zu gehen, was wir nicht können.«
»Daher der Begriff Schattenwandler«, sagte sie trocken. »Klingt wie die Idee für ein Computerspiel oder so etwas.« Sie hielt einen Moment inne. »Warum könnt ihr nicht in die Sonne gehen? Ich meine, was passiert dann? Zerfallt ihr zu Staub – oder ist das bloß so ein Vampirding?«
»Jede Spezies hat eine eigene Art von Sonnenunverträglichkeit, jede reagiert anders. Bei uns Dämonen ist es so, als würden wir in eine Schlafkammer gehen. Alles in uns ist so angelegt, dass wir in tiefen Schlaf fallen. In gedämpftem Licht oder bei Licht, das durch Buntglas fällt, ist das wunderbar und angenehm. Wir schlafen wunderbar den Tag über, wenn die Sonne hereinfällt.« Er schob eine Hand unter ihr Haar, um ihren Nacken zu umschließen. Er fühlte sich einfach besser, wenn er sie berührte und sie irgendwie beruhigte, während er über seltsame Dinge sprach. »Direkte Sonneneinstrahlung ist für junge Leute tödlich. Sie können sterben, wenn sie ihr zu lange ausgesetzt sind. Erwachsene spüren eine bleierne Müdigkeit, sodass sie sich nicht mehr bewegen oder sich dagegen schützen können. Ältere spüren es auch, aber diejenigen unter uns, die besonders stark sind, können die Wirkung mit ein paar Tricks eine Zeit lang niederkämpfen.
»Du bist sehr stark.«
»Das wirst du auch bald sein«, sagte er zu ihr. Es war nicht gönnerhaft gemeint. Es war eine simple Tatsache. Sie musste stark sein, um sein aufbrausendes Temperament zu zähmen. Sehr stark. »Deine Kräfte werden sich jetzt, wo du bei mir bist, schneller entwickeln. Die Kräfte eines Druiden entwickeln sich durch die Berührung seines Seelenverwandten. Druiden müssen mit Dämonenenergie gespeist werden, um sich wieder aufzuladen.«
»Gespeist?« Sie klang erschrocken.
»Mmm. Wie bei einer Batterie. Ein Spielzeug wird von einer Batterie gespeist, damit es funktioniert. In unserem Fall bedeutet das, zusammen zu sein. In der Nähe des anderen zu sein. Mit der Zeit ist dieses symbiotische Verhältnis nicht mehr so streng.«
Kestra glitt von seinem Schoß und kniete sich vor ihn hin, um ihn anzuschauen, und setzte sich dann auf die angezogenen Beine. Noah ließ ihren Nacken nur ungern los. Sie schüttelte ihr helles Haar, das ihr ein wenig wirr auf die Schultern fiel. Ihre neugierigen Augen sahen ihn einen Moment lang an.
»Ich bin nicht gerade begeistert von der Vorstellung, von jemandem abhängig zu sein.«
»Es geht nicht um Abhängigkeit, Kestra. Es ist eine Symbiose. Ich kümmere mich um dich, und du kümmerst dich um mich. Ich könnte nicht überleben ohne dich, so wie du auch nicht ohne mich. Schau dir meine Gedanken an. Schau dir an, wie es für mich war. Schau dir die Nächte des Heiligen Mondes an, wie er zunimmt und abnimmt in den Wochen davor und danach.«
Er zeigte es ihr. Kestra war sofort wie erschlagen von den Erinnerungen an diese Nächte. Es war ein dunkles und unentrinnbares Begehren. Urtümliche Impulse, die der elementaren Natur seiner Kraft geschuldet waren. Es war wie ein fortwährendes Summen, das mit dem zunehmenden Mond lauter wurde und von ihm verlangte, dass er handelte, dass er gehorchte. Es schrie nach Feuer und nach Verderben. Flammen und Leidenschaft. Der Körper brannte vor Verlangen, ein heftiger Schmerz, den auch sehr viele Frauen nicht hätten stillen können, also versuchte er es gar nicht. Er hatte schon seit Jahrhunderten während Samhain oder Beltane keine Frau mehr mit in sein Bett genommen. Er hatte allein gelitten, allein gebrannt. Jahrhundertelang war er von der Fürsorglichkeit seiner Schwester gerettet worden, während sie ihre wundersamen Geisteskräfte entwickelte. Ihr Humor und ihre wissende Art, ihre Fähigkeit, seine Gefühle allein mit der Kraft ihrer Stimme zu besänftigen. Es war keine Heilung, doch es genügte, damit er gesund blieb.
Es hatte ihm Angst gemacht, als sie sein Zuhause verlassen hatte, um bei ihrem Gemahl
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