Schattenwandler 05. Noah
werden davon nicht geschwächt. Warum nicht abwarten und sich noch mehr Fähigkeiten aneignen, wenn sie es auf Damiens Krone abgesehen haben? Wir haben heute Abend ebenfalls ein Fest. Das erste Samhain, das Damien in seiner Heimat feiert. Es werden haufenweise Vampire da sein. Es wäre reiner Selbstmord.«
»Oder die perfekte Tarnung für einen Mordversuch«, überlegte Kes laut. »Den Feind auf das eigene Territorium einzuladen.«
»Nein. Damien kennt diese Typen. Er ist sehr vorsichtig. Er hat es mir versprochen. Er würde Cygnus und dessen Bande in Sekundenbruchteilen bemerken, wenn sie sein Schloss betreten würden.«
»Bist du sicher? Trotz der ganzen Fähigkeiten, die sie sich angeeignet haben?«, erwiderte Noah.
»Es ist Damien, Noah. Damien kann jeden Schattenwandler auf der Welt aufspüren.« Sie gab einen verstimmten Laut von sich, als sie die Fähigkeiten des Prinzen infrage gestellt sah. Und Kes fragte sich, ob sie zu parteiisch war, um die Wahrheit zu sehen.
Nein. Sie hat recht. Damien gehört nicht zu denen, an die man sich heranschleichen kann, wenn er auf der Hut ist.
»Vorausgesetzt, er ist auf der Hut«, sagte sie laut zu Noah, weil sie in ihrem gereizten Zustand die Sache mit der Telepathie ganz vergessen hatte.
Aus dem Augenwinkel sah Kestra, wie Jasmine auf einmal erstarrte. Sie riss den Kopf hoch, als sie die verräterische Reaktion bemerkte. Die Männer bemerkten es ebenfalls, und alle Augen richteten sich auf Jasmine, deren Gesicht noch blasser wurde, als es sowieso schon war.
»Oh nein. Oh, verdammt!«
»Jas!«, stieß Noah hervor, als Jasmine eine Bewegung machte, wie wenn sie verschwinden wollte.
Sie wandte sich zu ihm um, Wut in den Augen und ausgefahrene Fangzähne, während sie den Dämonenkönig anfauchte.
»Sie wissen, dass ich hier bin, und Damien ist ohne mich ungeschützt!«
»Aber du hast doch gerade gesagt …«, protestierte Jacob.
»Überleg mal. Samhain ermöglicht den Zugang zum Schloss; Damien denkt, die Bösewichte sind auf dem Weg hierher. Ich selbst habe ihn vorgewarnt und ihn gebeten, vorsichtig zu sein!«, knurrte Jasmine mit wilden schwarzen Flammen in ihren Augen.
»Jasmine«, sagte Noah hilflos, »ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Ich wusste, dass dieses Miststück von Lykanthropin sein Tod sein würde!«, fauchte die Vampirin wütend. »Hinter ihr sind sie her, Noah. Nicht angriffslustig, nicht wehrhaft, hast du gesagt, stimmt’s?« Jasmine wandte sich an Kestra. »Für Aufruhr sorgen auf Dämonenterritorium und Jasmine von Damien weglocken. Die Lykanthropin töten, ihre besonderen Fähigkeiten nehmen, und sie schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Damien wird den Kummer nicht überleben, wenn seiner … seiner …«
»Seelenverwandten etwas zustößt«, flüstere Kestra.
16
Damien unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung, als er spürte, dass Syreena endlich in einen völlig erschöpften Schlaf fiel. Er erhob sich behutsam aus ihrem Bett in die Luft und schwebte umher, um ganz verstohlen ein paar Kleidungsstücke aufzuheben, die im Raum verteilt waren. Er hatte bereits einen fruchtbaren Zyklus mit Syreena erlebt, doch es war, als hätte sie diesmal ihre eigene Belastbarkeit überschritten. Und er konnte sich nicht daran erinnern, wann sein Körper das letzte Mal so geschmerzt hatte. Sie schaffte es, selbst einen Ältesten wie ihn an den Rand der Erschöpfung zu bringen, dachte er, und ein zärtliches Lächeln ließ seine Augen aufleuchten.
Er schlüpfte in seine Hose. Syreena wurde von zahlreichen Emotionen beherrscht: Furcht, Bedürfnis und Verlangen. Das Verlangen galt ihm, nicht mehr und nicht weniger, als sie es sonst füreinander empfanden, nur vielleicht in der Häufigkeit ein wenig ausgeprägter. Ihr Bedürfnis galt einem Kind. Einem Kind ihrer Liebe, einem Erben, da beide zu den Thronfolgern ihres jeweiligen Volkes gehörten. Einem Kind, nach dem sie sich sehnte und das sie, wie sie bis zu ihrer Begegnung geglaubt hatte, nie haben würde. Genauso wie sie niemals gedacht hätte, dass die Vermählung mit einem liebenden Gatten jemals Wirklichkeit werden würde.
Und die Furcht war die offensichtlichste Emotion von allen. Sie hatte Angst gehabt, dass die Chemie zwischen ihnen vielleicht nicht stimmen würde, so wie es sein sollte. Nicht dass er nicht zu ihr passen würde, wie ihm klar wurde, sondern dass sie nicht zu ihm passte. Sie hatte Angst, dass ihre besondere genetische Anlage, die Mutationen, die sie während ihrer
Weitere Kostenlose Bücher