Schattenwandler 05. Noah
ihn nicht verbrennen? Warum ihn nicht vergraben? Warum sollte jemand eine frische Leiche einfach liegen lassen?«
»Eine Falle. Frisches Fleisch lockt die Beute an«, sagte Jacob.
»Ich denke, es ist eher ein Köder«, meldete sich Jasmine plötzlich zu Wort und begegnete Kestras Blick, die sah, dass Jasmine verstand. »Oh, schaut mal, was wir gefunden haben. Und alle machen sich fleißig wie die Bienen daran, herauszufinden, was das zu bedeuten hat, während irgendwo anders die Hölle losbricht.«
»Und das eigentliche Geschehen spielt sich hinter unserem Rücken ab.« Kes blickte Noah direkt an. »Ich habe diese Masche schon hundertmal benutzt. Ein klassisches Ablenkungsmanöver. Selbst geübte Leute fallen darauf herein. Schau, was Jacob getan hat. Er ist gleich zu dir gekommen, um Geschrei zu machen. Nichts für ungut«, versetzte sie mit einem Zwinkern.
»Kein Problem«, sagte er und blickte Noah belustigt an.
»Es ist ihm nicht einen Augenblick in den Sinn gekommen, sich bedeckt zu halten, egal aus welchen Gründen – Protokoll, Erfahrung, Wut –, und wenn deine Feinde genug über dich wissen, können sie so etwas vorhersagen.«
»Wenn wir Vampire etwas wissen, dann, wie rachsüchtig Dämonen sein können, wenn einer aus ihrer Gemeinschaft getötet wird«, bemerkte Jasmine. »Das haben wir im Krieg erfahren müssen.«
»Ja, ich erinnere mich, dass ich es dir auf die harte Tour beibringen musste«, sagte Jacob ein wenig überheblich und doch humorvoll genug, um nicht beleidigend zu wirken.
Trotzdem hatte er ihren Humor unterschätzt. Sie setzte augenblicklich ein Grinsen auf.
»Dann wollen wir also nicht kopflos wie die Hühner durch die Gegend rennen. Aber wie finden wir jetzt das eigentliche Ziel heraus?«, fragte Noah.
»Falsch«, sagte Jasmine plötzlich und kam mit klackenden Absätzen näher. »Du musst sogar eine ganze Schar kopfloser Hühner losschicken.« Angesichts der verständnislosen Gesichter schüttelte sie den Kopf. »Vampire sind Telepathen. Wenn sie einen Köder ausgelegt haben, haben sie jemanden dort postiert, um zu berichten, wenn er geholt wird. Wenn niemand in Sichtweite der Leiche auftaucht, werden sie ihren Angriff abblasen.«
»Nun, vielleicht ist das wirklich die beste Idee.«
»Ja, zumindest so lange, wie wir überhaupt noch vorgewarnt werden«, erwiderte Noah. »Wenigstens haben wir heute diesen kleinen Vorteil.«
»Ich habe keinen Vampir wahrgenommen. Das wüsste ich«, sagte Jacob.
»Wirklich? Bei all den gestohlenen Fähigkeiten, wüsstest du es wirklich?« Jasmine hielt inne, während sie mit den Fingern auf ihren Oberschenkel trommelte und ihre Gedanken sammelte, obwohl sie bereits wusste, dass Jacob ihr zustimmen würde. »Irgendetwas stinkt an dieser Sache. Ich kenne die Vampire. Sie gehen überlegt vor, um den Feind zu überlisten. Sie sind nicht nur auf einen weiteren Mord aus.«
»Es ist ein Spiel«, sagte Kes. »Fang mich, wenn du kannst. Der Modus Operandi eines Serienmörders.«
»Sie wollen sich also an unserem Schmerz und an unserer Furcht weiden«, erkannte Noah und biss angesichts dieser sadistischen Absicht wütend die Zähne zusammen. »Was sollen wir tun, Jas? Es sind deine Brüder, du kennst sie am besten.«
»Ablenkungsmanöver«, begann sie aufzuzählen, »wissen, was sie wissen, sie in Angst und Schrecken versetzen, ihnen das Gefühl geben, sie sind schlauer als wir alle …«
»… und ein unwahrscheinliches Ziel«, sagte Kes auf einmal. »Jas, wenn du eine … also … ich meine, wen würdest du als Vampirin«, verbesserte sie sich selbst, und trotz der wachsenden Anspannung mussten alle grinsen, »zu allerletzt angreifen?«
»Du meinst außer mir und Damien?«, fragte sie mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen. »Ich würde sagen, Noah.«
»Das habe ich auch als Erstes gedacht«, bemerkte Jacob verbittert.
»Wartet! Wartet.« Kestras Stimme klang schneidend, und sie hob eine Hand, um die anderen zum Schweigen zu bringen. »Außer wem hast du gesagt?«
»Mir und Damien, dem Prinzen.«
»Warum sollten sie dich in Ruhe lassen?«, wollte Kes wissen.
»Weil es sofort Tod und Vernichtung bedeuten würde«, fauchte Jasmine.
»Einmal das, und Vampire können nichts hinzugewinnen, wenn sie sich voneinander ernähren. Das brächte nichts. Außer den Thron an sich zu reißen.«
»Das könnte ein Grund sein, Jas«, bemerkte Jacob.
»Dann erklär mir Folgendes: Warum Samhain? Es ergibt keinen Sinn, das an Samhain zu tun. Vampire
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