Schattenwandler 05. Noah
gewesen, das hätte uns Streit und Missverständnisse erspart.«
»Ich muss mich für mein Benehmen entschuldigen, Kikilia «, sagte er leise. »Meine Gefühle gehen in letzter Zeit öfter mit mir durch.«
»Ich weiß«, sagte sie sanft, schlang die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. Er drückte sie automatisch an sich und sog ihren Duft und ihre Lebendigkeit ein. »Ich versuche daran zu denken. Alles ist so unwägbar im Moment. Mir schwirrt der Kopf.«
Ihr Mund näherte sich dem seinen, und sein ganzer Körper taumelte vor Erregung, noch bevor er ihre Lippen spürte. Hitze kroch ihm über den Nacken ins Gesicht und erfüllte beide Münder mit Wärme, als sie sich im Kuss vereinten. Genau das, seufzte er, hätte ich heute tun sollen. Es war Samhain, und er hätte eigentlich nichts anderes tun sollen, als langsam den Duft und die Wärme seiner Gefährtin in sich aufzunehmen.
Sie löste sich von ihm und blickte hinab zu der kleinen Gruppe im Erdgeschoss, die auf den König wartete. Dann sah sie ihn an und nahm sein Gesicht in ihre Hände.
»Ich kann nicht glauben, dass ich dich küsse und in den Krieg ziehen lasse, als wäre ich die Heldin in einem Roman.« Sie seufzte, als er lächelte, und beugte sich hinunter, um ihn sanft zu küssen. Noah zog sie gleich wieder an sich, wollte ihren Geschmack in sich aufnehmen, sie in seinen Sinnen spüren, um sie mitzunehmen und sich so daran zu erinnern, wofür er kämpfte.
Schließlich trat sie zurück, erhitzt und atemlos, und berührte seine Stirn.
»Klopf, klopf«, flüsterte sie.
Augenblicklich öffnete Noah seinen Geist und stellte eine Verbindung her, damit sie alles teilen konnten. Dann drehte er sich um und ging die restlichen Stufen hinunter, um sich zu seinen Kameraden zu begeben.
Stephan konzentrierte sich zu heftig. Er wusste das, weil er sich wie erschlagen fühlte von all den Leuten und den Kräften, die in der Zitadelle herumschwirrten. Alles wurde gleichförmig, ununterscheidbar verschwommen. Er schickte telepathische Anweisungen an die Wachen in den unteren Stockwerken und bewegte sich rasch auf den nächsten Ausgang zu. Als er in die rumänische Nacht hinaustrat, in die Dunkelheit seines Heimatlandes, schüttelte er alles ab, was drinnen vor sich ging, und nahm einen tiefen, reinigenden Atemzug.
Er machte ein paar große Schritte weg von dem Partylärm. Alles lief gut da drin, alle waren gut geschützt, und er musste sowieso die Umgebung absuchen. Er musste gestehen, dass dies zu seinen liebsten Pflichten gehörte. Luft. Dunkelheit. Das Leben der Sterne und der Berge, das er in sich aufsog. Wenn er das Schloss und das ganze gesellschaftliche Brimborium hinter sich ließ, genoss er den Frieden der Einsamkeit.
Stephan wurde plötzlich aufmerksam und fuhr mit einem Knacken seiner Nackenwirbel herum und duckte sich. Es gab einen Eindringling auf dem Territorium des Prinzen. Wahrscheinlich einen Feind. Ein Schwall negativer und verderbter Energie summte um ihn herum wie ein Schwarm Libellen. Der Vampir erhob sich in die Lüfte und entfernte sich in wildem Flug von der Festung, während er leise, aber bestimmt eine Warnung an die Wachen im Schloss aussandte.
Es war ein einzelnes Wesen, und Stephan könnte es problemlos überwältigen, doch es schadete nicht, wenn er die anderen über die Situation in Kenntnis setzte. Der blonde Vampir jagte in Erwartung eines Kampfes in höchster Erregung auf den Feind zu. Leben und Energie durchströmten ihn.
Er sah sein Ziel sofort, etwas, das im Dunkeln herumschlich. Ein alter Trick. Stephan landete kühn auf offenem Feld.
»Rubio«, befahl er mit dröhnender und furchteinflößender Stimme. »Komm heraus, du Feigling, und stell dich deinem Schicksal.« Stephan hatte den Satz kaum beendet, als sich ein ekelerregender Gestank in der knackig kalten Luft ausbreitete. Es war der Geruch der Verderbnis.
Er sah ein Flattern und verengte seine blitzenden Augen, um irgendwelche Tricks zu erkennen, doch nicht so besorgt, dass er hinter Rubio hergejagt wäre. Der ziemlich schwache Vampir, der gegen das Gesetz verstieß, würde schon herausgekrochen kommen.
»Es wird eine Ordnung geben in unserer Welt«, sagte Stephan, und seine Stimme klang leise, herausfordernd und zielte auf das schwache Rückgrat des Feindes. »Dein Gestank wird fortgewaschen werden.« Er winkte sanft, wie ein Priester es bei einem reumütigen Kind tat. »Komm, und du wirst geläutert werden.«
Ein Fauchen und Rascheln war zu hören, und
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