Schattenwandler 05. Noah
die Faust, brach den Feuerball auf und absorbierte die Energie, während er rasch nach einer Lösung suchte. Er ging zahlreiche Möglichkeiten durch. Es war, als hätte er es mit einem halben Dutzend Schattenwandlerarten gleichzeitig zu tun, ein mächtiges und frustrierendes Puzzle. Bei einer einzelnen Spezies gab es zumindest bestimmte Vorgaben, ein Regelwerk, nach dem dieses Spiel gespielt wurde. Dieser Vampir und alle die, die sich ihm angeschlossen und die sich für ein verderbtes Leben entschieden hatten, spielten ein gefährliches Spiel.
Noah nahm eine bestimmte Energie wahr, und er war sich irgendwie sicher, dass beide sich noch immer im Raum befanden, obwohl er sie nicht sehen konnte. Er sah den Abdruck, den die Körperwärme der Prinzessin auf dem leeren Bett hinterlassen hatte. Er sah sogar den Schatten von der Energie des Vampirs, als dieser sich über sie gebeugt hatte. Doch das waren Geister der Vergangenheit, und es gab keine Schatten in der Gegenwart. Er suchte nach einer Wärmequelle, nach Energie, doch nichts im Raum, nicht einmal das Licht, verströmte irgendeine Kraft.
Schließlich materialisierte sich Jacob aus einer Staubwolke am anderen Ende des Raums. Sie hatten sich von entgegengesetzten Seiten hierher teleportiert, und Jacob hatte eine verschwommene Gestalt beibehalten, sodass er den Überraschungseffekt nutzen konnte, falls die Situation es verlangte.
Als er sah, wie Noah taumelte, wusste er, dass er eine feste Gestalt annehmen musste. Noah nickte dem Vollstrecker zu, ein stummes Zeichen, und der Erddämon schloss die Augen, und sein Geist ließ sich sanft in der Mitte seines Körpers nieder, seine Konzentration überwand die Begrenzung aller von Menschenhand geschaffenen Dinge und richtete sich auf die Schönheit des Natürlichen. Er breitete diesen Bewusstseinszustand im ganzen Raum und in der umliegenden Natur der Festung aus, erweiterte langsam den Radius und die Intensität.
Plötzlich zuckte er zusammen und blickte zu Noah.
»Schnell. Wir brauchen Licht.«
Noah reagierte, ohne nachzudenken, und augenblicklich stand sein ganzer Körper so gleißend in Flammen, dass auch der hinterste Winkel hell erleuchtet war, sodass Jacob eine Hand zum Schutz hochreißen und zurückweichen musste. Ein Schmerzensschrei war zu hören, und Jacob und Noah sahen, wie im hellen Licht die Gestalt des Vampirs auftauchte, der seine Gefangene bis zur äußersten Kante einer Fensterbank gezerrt hatte, wo nur noch das Buntglas seine Flucht verhinderte. Er hatte die gestohlenen Schattenbewohnerkräfte dazu benutzt, in dem dämmrigen Raum mit der Prinzessin zu einem Schatten zu werden. Unglücklicherweise war nun aber das Licht auch äußerst schmerzhaft für den teuflischen Vampir. Er hatte diese Empfindlichkeit zusammen mit der Fähigkeit erworben. Das war eine wertvolle Information, die beide Dämonen zur Kenntnis nahmen.
Noah zündete alle Fackeln im Raum an, verteilte die Flammen um sich herum und nahm dem Vampir so die Möglichkeit, sich den Schatten irgendwie zunutze zu machen. Der Vampir hielt seine nadelspitzen Zähne an Syreenas Hals, so als würde er trotz des Risikos, gefasst zu werden, von ihr trinken wollen. Seine großen Augen bewegten sich argwöhnisch zwischen den beiden Dämonen hin und her. Noah hörte, wie das Glas zu bersten begann, als der Vampir sich dagegenlehnte.
Trotz der Bedrohung konnte Noah die abscheuliche Kreatur nicht verbrennen, solange sie so nah bei Syreena war. Syreena würde genauso verbrennen wie er. Solange er nicht näher herankam, konnte er nicht den einen vor den Flammen schützen und gleichzeitig den anderen vernichten. Sein erster Impuls war, den Vampir daran zu hindern, ins Freie zu kommen, den Raum zu verlassen, doch wenn sie einen Weg hinaus fänden, könnten Jacobs Fähigkeiten zum Einsatz kommen und der Situation eine Wendung geben. Der Erddämon könnte die Schwerkraft beeinflussen und Syreena so schwer machen, dass ihr Entführer sie nicht mehr hochheben könnte.
Noah spürte, wie er nach der beruhigenden Verbindung zu Kestras Gedanken suchte. Sie dachte genauso fieberhaft und so schnell nach wie er und Jacob, doch auch sie hatte keine Lösung anzubieten. Sie übermittelte ihm aufmunternde Gedanken und ihre Zuversicht, dass er gewinnen würde.
Jacob, der in derselben Zwickmühle steckte, untersuchte den Feind genauer, und zwar mit ganz anderen Sinnen. Der Vampir stank, ein Geruch, den Schattenwandler mit verderbten Seelen in Verbindung brachten und der
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