Schattenwandler 05. Noah
Rubio kam aus der Dunkelheit getaumelt. Als er näher kam, schreckte ein kleiner Vogelschwarm auf und flog zwischen den beiden Vampiren hindurch und ließ sich jenseits des Kampfgebietes erneut nieder.
»Du denkst, du bist so außergewöhnlich und so mächtig«, knurrte Rubio und bemühte sich, die Fassung zu wahren, trotz seiner Angst und obwohl er den Impuls hatte, sich in sein Schicksal zu ergeben. »Selbst die Vorhut kann besiegt werden!«, verkündete er.
»Die Vorhut wird niemals besiegt werden«, bemerkte Stephan. »Töte mich, und der Nächste wird kommen, indem er mein Blut trinkt, um seine Seele für den Kampf zu stärken.« Es war das Motto der Vorhut, das er schon seit Jahrhunderten auswendig kannte, und wahrscheinlich die einzige Sache, für die er wahre Leidenschaft verspürte.
»Ich bin froh, dass du so empfindest.«
Stephan fuhr erschrocken herum, als die Stimme hinter ihm ertönte. Da stand ein Vampir, den er nicht gespürt hatte. Plötzlich tauchten noch mehr Vampire auf, bis er von einem halben Dutzend umstellt war.
Die Vögel, erkannte Stephan.
Rubio war nur der Köder gewesen, und die Vögel die Tarnung, um ihn in die Falle zu locken.
»Sei’s drum«, flüsterte er, bevor sich die sechs auf ihn stürzten.
17
Syreena schlief tief und fest. Sie hatte das erste Jahrhundert ihres Lebens in einem Kloster verbracht, wo jeder nach einer langen Arbeitsnacht zu Bett ging und früh erwachte, um die Dämmerung zu begrüßen. Damien hatte sie oft geneckt wegen ihrer Fähigkeit, in einen beinahe komatösen Zustand zu sinken, sobald sie sich schlafen gelegt hatte. Er hatte gedroht, auszuprobieren, ob er mit ihr Sex haben konnte und sie weiterschlief. Bisher hatte er damit allerdings keinen Erfolg gehabt.
Als sie nun plötzlich spürte, dass etwas sie weckte, wehrte sie sich nur schwach dagegen. Syreena war natürlich verwirrt. Damien hatte dringend auf die Jagd gemusst und war nicht abgeneigt gewesen, sich ihrer Unersättlichkeit zu entziehen. Sie hatte dafür vollstes Verständnis. Er gehörte nicht ihrer Spezies an und war in diesen Phasen nicht so überhitzt wie sie. Obwohl er kein Problem damit hatte, mit ihr mitzuhalten, genoss er auch seine Ruhepausen, wenn sich die Gelegenheit ergab.
Syreena lag bäuchlings im Bett, die schwere Kaschmirdecke nur knapp über die Rundung ihres Hinterns gezogen. Sie war ausgekühlt, da es aus dem Turm gegenüber zog, wenn Leute ein und aus gingen. Es machte die wohltuende Wirkung des Kaminfeuers zunichte, das Damien immer am Brennen hielt. Doch sie war nicht so ausgekühlt, dass sie den eisigen Hauch ertragen hätte, der über ihren Rücken und ihren Hintern fegte, und sie schrak mit einem Stöhnen aus dem Schlaf hoch. Das war einer der gemeinsten Tricks aus Damiens Repertoire, um sie zu wecken, die Kälte seiner Hände auf ihrer natürlich warmen Lykanthropenhaut, bevor er auf die Jagd ging.
Doch als sie wegrückte und sich umdrehte, um die dreisten Hände abzuschütteln, spürte sie ein warnendes Klingeln im Hinterkopf. Sie kannte Damiens Berührung. Sie kannte sie wie ihren eigenen Atem, und hier stimmte etwas nicht. Sie hatte gerade ihre schweren Augenlider halb geöffnet, als eine Hand ihr Haar packte und es mit einer Faust so fest umklammerte, dass die empfindlichen Strähnen sich wanden und dass sie vor Schmerz aufschrie. Eine zweite Hand legte sich auf ihren Mund, und sie hatte das schreckliche Gefühl, dass ihre Hände und ihre Füße ans Bett gefesselt wurden, bis sie sich nicht mehr bewegen konnte, bis sie kaum noch atmen konnte
Ihr Herz raste vor Panik. Sie war völlig hilflos. Wenn ihr Haar festgehalten wurde, konnte sie sich nicht verwandeln. Und an allen vieren gefesselt zu sein bedeutete, dass sie sich überhaupt nicht wehren konnte. Das Einzige, was ihr zur Verfügung stand, war ihre noch ganz neue Fähigkeit, Trugbilder zu erzeugen … und Damien, wo immer er auch sein mochte. Sie konnte zu ihrer rechten Hand hinunterblicken und erschrak, als sie sah, dass sie mit einer Art zähem Nebel gefesselt war. Tatsächlich war der ganze Boden von einem erbsensuppendicken Nebel überzogen. Etwas, das der Mann ihrer Schwester ebenfalls erzeugen konnte. Als Winddämon hatte Elijah die Kontrolle über sämtliche Formen von Wetter.
Es war unwahrscheinlich, dass er mit ihr einen so grausamen Schabernack trieb. Er wusste, wie sie sich fühlte, wenn sie gefesselt und hilflos war, seit die Dämonin Ruth Syreena dazu benutzt hatte, sich an Siena und
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