Schattenwandler 05. Noah
ihren Angriff geplant und ausgeführt wie eine kaltblütige Killerin, und das musste sie in diesem Moment auch sein, um ihr Leben zu retten.
Nun, gut für sie!
Bella lächelte und beantwortete die Frage, die ihr gestellt worden war, um Kes bei Bewusstsein zu halten.
»Das kann man nicht so absolut sagen. Obwohl wir versuchen, etwas netter zu sein als die Menschen.« Sie sah, wie Kes als Erwiderung auf diese ehrliche Antwort lächelte.
»Dieses Leben ist gefährlich«, bekannte Isabella leise. »Wenn man mehr Fähigkeiten bekommt, muss man damit rechnen, einen höheren Preis bei den Schmerzen zu zahlen.«
Die Druidin schien einen Moment lang ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, und sie streichelte abwesend Kestras weiße Ponyfransen. Kes fand es entspannend. Sie wünschte, sie könnte Isabella zeigen, wie dankbar sie ihr war für ihre Aufrichtigkeit.
»Noah hat sehr lange auf dich gewartet«, flüsterte Bella plötzlich und beugte sich tiefer über Kes, so als wollte sie nicht belauscht werden. »Glaub mir, ich weiß, was für ein Druck das ist. Doch es gibt kein Zurück mehr für dich. Bestimmung oder Schicksal oder was immer es auch sein mag, hat bereits darüber entschieden, und dem kann man sich nicht entziehen. Es ist so bestimmt, also hat es keinen Zweck, sich dagegen zu wehren.« Bella hielt einen Moment inne, fuhr dann aber fort, da Kestra immer noch mit andächtigem Blick lauschte. »Eine höhere Macht hat diese erstaunlichen Männer geschaffen und sie geistig und in ihrer Kraft reifen lassen, bis sie mit fast allem im Leben im Reinen waren. Das Einzige, was in ihnen rumort, ist die Sehnsucht nach der Frau, die ihr Gegenstück ist und die sie auf die nächste Ebene der Reise führt.
Also hat das Schicksal dich und mich aus der kosmischen Ursuppe herausgefischt und es uns selbst überlassen, was wir sein wollen, aber in einem Punkt verlangt es, dass wir gehorchen. Wir müssen diese wunderbaren Männer von ganzem Herzen lieben.« Isabellas Stimme wurde atemlos und zittrig, als ein Gefühlsstrom sie überwältigte, und ihre Fingerspitzen fuhren durch Kestras langes Haar. »Natürlich denken sie, dass wir ihr Gegenstück sind … aber es ist genau umgekehrt.«
Sie seufzte, und Kestra sah Freude in ihren Zügen aufleuchten, ein Ausdruck, wie sie ihn noch nie auf einem Frauengesicht gesehen hatte. »Geprägte Liebe ist Liebe auf zellularer Ebene. Die genetische Struktur passt zusammen, doch es ist auch ein Verweben der Seelen. Es ist nicht das, was sich Menschen unter Seelenverwandtschaft vorstellen. Es geht darüber hinaus. Über die körperliche Ekstase.«
Sie hatte den Satz kaum beendet, als eine explosionsartige Druckwelle Gras, Gestrüpp und Laub aufwirbelte und Bella zwang, sich über Kestra zu legen, um sie vor dem Niederschlag zu schützen. Als sie aufblickte, sah sie den König, ihren Mann, Gideon und Legna mit Seth auf dem Arm auf einer kleinen Lichtung stehen. Sie setzte sich auf, und Jacob warf sich in ihre Arme, und sie umarmte ihn so fest, dass sie ihm die Luft aus den Lungen presste.
Erst als Bella schluchzte, begriff Kestra, wie aufwühlend die ganze Situation für sie gewesen war. Sie machte nicht den Eindruck auf Kestra, als wäre sie allzu nah am Wasser gebaut, und sie bewunderte Bella dafür, dass sie sich ihre Erschütterung nicht hatte anmerken lassen.
Um nicht in einen Schockzustand zu fallen, wandte sie ihren Blick zu Noah, der ihre Hand umklammerte und sich mit sorgenvoller Miene über sie beugte. Sie war verloren, als sie den Ausdruck in seinen Augen sah. Schmerz und Reue, Schuld und Tragik … und vor allem seine grenzenlose Liebe zu ihr.
Plötzlich liefen ihr Tränen aus den Augen, während das unterdrückte Bedürfnis, zu schluchzen, Schmerzen durch ihren Brustkorb und durch ihre Lunge jagte. Dann spürte sie, wie lange, kühle Finger durch ihr Haar strichen, eine ungeheuer wohltuende Berührung. Sie blinzelte, um besser sehen zu können, und blickte auf zu Gideon, der hinter ihr kniete und sich über sie beugte.
»Tränen sind nicht empfehlenswert, Kestra«, schalt er sie. »Du kannst nicht atmen, weil du in den Brustraum blutest, was deine Lungen langsam zusammendrückt. Aber das wird gleich wieder heilen.«
Sie war dankbar für die Information, doch sie wusste das bereits. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Noah zu, während sie ein Kribbeln auf ihrem Schädel spürte. Sie drückte beruhigend seine Hand und blickte dann hinüber zu Isabella und Jacob. Eine
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