Schattenwandler 05. Noah
Schnaubens zurück. Seine Drohungen machten überhaupt keinen Eindruck auf sie. Noah beschloss, die Taktik zu ändern. Erzähl mir, wie es Bella geht.
Kestra hatte die Verbindung zu der Frau neben sich verloren, weil sie in einem Dämmerzustand dahintrieb. Isabella saß da, die Beine vor dem Körper gekreuzt, die Ellbogen auf den Knien und den Kopf in die Hände gestützt. Sie murmelte leise vor sich hin, schaukelte vor und zurück, sodass ihr Haar hin und her schwang. Sie schickte das Bild weiter an Noah und wusste, dass es mehr sagen würde als Worte, und sie wusste auch, dass er keine falschen Beschwichtigungen hören wollte. Kestra vermutete, dass Bellas Gemurmel ein heftiger Schlagabtausch mit ihrem Mann war, etwas, das ihrem Geist entschlüpfte, wenn es schmerzhaft wurde.
Was hat sie getan? Warum ist sie so?
Bella hat eine außergewöhnliche Fähigkeit. Sie kann von anderen Fähigkeiten stehlen und diese eine Zeit lang zu ihren eigenen machen. Sie hat das getan, um deinen Angreifer außer Gefecht zu setzen. Bella hat noch nie so viel negative, verdorbene Energie in sich aufgenommen. Das hat sie in Gefahr gebracht.
Kestra atmete flach und versuchte dann, die Luft anzuhalten. Sie war es gewohnt, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, doch noch nie hatte sie Unbeteiligte mithineingezogen. Das war immer einer ihrer unumstößlichen moralischen Grundsätze gewesen.
Pst, Kikilia, pst, beruhigte er sie in ganz leisem Tonfall, als er ihre Verstörung wahrnahm. Sie ist dir aus bestimmten Gründen zu Hilfe gekommen. Erstens, weil ich sie darum gebeten habe, zweitens, weil Jacob sie darum gebeten hat, und drittens, weil es in ihrer Natur liegt, anderen zu helfen, die von dunklen Mächten bedroht werden. Quäl dich nicht, nur weil eine Fremde ihrem Schicksal folgt und dieses Schicksal euch in diesem Moment zusammengeführt hat. Und halte die Gedankenverbindung zu mir. Ich versuche ebenfalls den Kontakt zu halten, auch wenn ich sehr viel Energie verbrauche beim Bewegen. Wir sind schon ganz, ganz nah. Halte durch.
Kestra blickte wieder zu der braunhaarigen Frau, und Isabella hob den Kopf und lächelte schwach. Sie war schrecklich bleich, eine kränkliche Hautfarbe, die nicht normal war, da war sich Kestra sicher. Doch sie hatte bemerkenswerte Augen, ein helles Lavendel im silbernen Licht des Vollmonds. Kestra holte wieder keuchend Atem und hustete. Sie brauchte das Blut in ihrem Mund nicht erst zu schmecken, als sie den Ausdruck sah, der über die feengleichen Gesichtszüge der Druidin glitt.
»Oh Gott«, murmelte Bella und beugte sich über Kestra, während ihr ganzer Körper Besorgnis ausstrahlte. Sie zog ihre teure Seidenbluse aus der Jeans und riss ein Stück Stoff ab, um Kestra das Blut aus den Mundwinkeln zu tupfen. Er war nicht besonders gut geeignet, das Blut aufzusaugen. Isabella hatte es einfach getan, damit ihr das Blut nicht über das Gesicht und in die Haare lief. Eine freundliche Geste, wie wenn man jemandem die Tränen abwischt. Nur dazu gedacht, um sie zu trösten.
»Seid ihr alle so nett?«, brachte Kestra stoßweise hervor, während sie Isabella kraftlos die Hand auf den Arm legte, mit dem diese über sie hinwegfasste.
»Schhhh. Nicht sprechen«, mahnte Bella. Sie betrachtete einen Moment lang die Frau, die so ruhig auf dem Waldboden lag und die bald sterben würde. Sie biss sich auf die Lippen, um gegen eine Woge von Gefühlen anzukämpfen, die in ihr aufstieg, dann verlangsamte sie den Vorgang und begann, sie zu ordnen. Es gab eine Verderbtheit aus Zorn, Neid und Habgier, die, wie sie wusste, nichts mit ihren eigenen Gefühlen zu tun hatte. Das war nur ein Nachhall der Gefühle des Vampirs. Sie schob sie weg. Ihre eigene Reaktion war noch immer Wut, obwohl sie wusste, dass es nicht fair war, Kestra für Noahs Handlungen verantwortlich zu machen.
Noahs Partnerin war eine umwerfende Frau. Das, was Bella eine makellose Schönheit nennen würde. Trotz der Verletzungen, Schürfwunden und den Zweigen und Blättern, die an Kestra klebten, konnte Isabella sofort erkennen, dass da Vornehmheit und Anmut waren. Es überraschte sie nicht, dass Noahs Gefährtin so ein Typ Frau war. Seine Schwester Legna war ganz ähnlich, genau wie seine Schwester Hannah.
Doch unter diesem perfekten Äußeren waren Wildheit und Krallen verborgen. Hier liegt eine Kämpferin, dachte Bella. Die Wunden, die sie kurz zuvor an Kestras Angreifer gesehen hatte, waren nicht zufällig zustande gekommen. Das wusste sie jetzt. Kestra hatte
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