Schattenwandler 05. Noah
wenigstens rechtzeitig wieder hier sein, um unseren nächsten Einsatz ein paarmal durchzugehen?«
»Natürlich. Danke für deine Hilfe, Partner. Ohne dich würde ich nicht überleben.«
»Klar. Ach … Kes … noch etwas.«
»Mmm?«
»Haben wir das Geld bekommen, bevor die Sache aus dem Ruder gelaufen ist?«
Kestra stockte vernehmlich der Atem. Sie schlug sich mit der Hand vor die Stirn und gab einen frustrierte Laut von sich. »Ich wusste doch, dass ich etwas vergessen hatte.«
Noah betrat vom Bad aus sein Schlafzimmer. Abwesend rieb er sich mit einem Handtuch über die Haare, während er vor den großen Schrank auf der linken Seite seines Bettes trat, wo Kestra sich davon erholt hatte, dass er ihr die gesamte Energie ausgesaugt hatte. Der Dämonenkönig nahm Kniehosen, Jagdstiefel und ein schlichtes Seidenhemd mit weiten Ärmeln aus dem Schrank.
Er dachte unaufhörlich an sie, während er sich anzog. Sogar noch mehr, weil er seine große Sorge um sie nicht abschütteln konnte, wenn sie ohne ihn unterwegs war. Mehr noch, denn endlich war es ihm in den Sinn gekommen, sich ernsthaft zu fragen, was zum Teufel in ihrem Leben passiert war, dass man ihr eine Pistole an den Kopf gehalten hatte. Abgesehen von den gesundheitlichen Folgen ihrer Trennung – welche Gefahren lauerten da draußen noch, die nichts mit ihm zu tun hatten?
Er war besorgt. Das Herz wurde ihm schwer, dass er nicht das Richtige getan hatte. Schlimm genug, dass er sie nicht rechtzeitig von diesem Ort fortgebracht hatte, bevor sie zum ersten Mal getötet worden war. Hatte er sie gehen lassen, damit sie sich auf die Suche machte nach einer Freiheit, die sie nun noch einmal töten würde? Und diesmal gäbe es keine Möglichkeit, es wiedergutzumachen. Diesmal, nachdem der Prozess der Prägung in Gang gesetzt war, würde er es nicht mehr ertragen, ohne sie zu sein.
Anstatt sie da rauszuholen und mitzunehmen, während der Samhain-Mond nahte, befand er sich noch immer in einem geschwächten Gemütszustand. Er konnte nichts dagegen tun. Doch je länger er darüber nachdachte, desto dringender wollte er sie zurückholen und ihr befehlen, für immer an seiner Seite zu bleiben.
Noah seufzte schwer, als er sich schließlich in den Sessel setzte, von dem aus er ihren Schlaf bewacht hatte. Er stellte die Stiefel neben seine Füße, lehnte sich zurück und rieb sich die müden Augen. Er konnte seine Energiereserven auffüllen, so oft er wollte, dank seiner Konstitution, weswegen er in der Vergangenheit über lange Zeit hinweg ohne Schlaf auskommen konnte, selbst wenn die sonnenbedingte Lethargie ihn überfiel. Trotzdem gab es keinen richtigen Ersatz für die belebende Wirkung des Schlafs. Der Körper heilte und erholte sich von nächtlichen Strapazen, wenn er schlief, baute Giftstoffe und andere Nebenprodukte eines aktiven Lebensstils ab, während das Ruhen und die Träume die Psyche besänftigten.
Doch wenn er ehrlich war, hatte er Angst zu träumen.
Sie war jetzt so nah.
Wären seine Träume intensiver und tiefer als zuvor? Noch unwiderstehlicher und quälender? Er hatte diese endlosen Nächte voller Bilder von Lust und Erfüllung kaum ertragen, denn jeden Abend, wenn er erwachte, war alles unerreichbar, ein falsches Spiel, doch sein schmerzender Körper und sein verzweifelt pochendes Herz erinnerten sich genau daran. Irgendwie hatte er sie immer und immer wieder geliebt und war doch so weit von ihr entfernt, als wären sie Fremde.
Waren sie Fremde, oder waren sie Liebende? Was dachte und fühlte sie, wenn sie ihn ansah? War es so wie der Kampf, den er momentan ausfocht? Falls ja, wie sollte er es ihr dann leichter machen, ohne dass ihm seine eigennützigen Bedürfnisse in die Quere kamen?
Es war unmöglich. Vor allem bei zunehmendem Mond und an den heiligen Feiertagen, die bevorstanden. Der Dämonenkönig würde gegen das Bedürfnis nicht ankommen, bei ihr zu sein, in ihrem Bett, in ihrem Körper, der so perfekt zu seinem passte.
In vier Tagen wäre Vollmond, und Noah wusste, er musste eine Lösung finden. Er hatte nur eine Möglichkeit, ihr zu vermitteln, dass ihre Zukunft ein Geschenk war und keine Falle. Und er würde alles dafür geben.
Der Dämonenkönig erhob sich ungeduldig aus dem Sessel und schritt, die Hände fest in die Hüften gestemmt, auf und ab. Erst als er das dritte Mal kehrtgemacht hatte, hörte er endlich das Klopfen an der Tür, so vertieft war er in seine Gedanken.
»Ich will nicht gestört werden!«, bellte er.
»Mylord,
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