Schattenwandler: Adam (German Edition)
Wahnsinn, und sie zeigte mit dem Finger anklagend auf Jasmine und ihren Mann: »Ich verstehe! Jetzt verstehe ich! Du liebst mich nicht mehr! Du verschmähst mich, weil ich dir nicht die Kinder schenken kann, die du dir wünschst!«
»Syreena, das stimmt nicht«, sagte Damien beschwichtigend, während er versuchte, seine steife, hysterische Frau in den Arm zu nehmen.
»Du hast sie schon immer mehr geliebt als mich«, beschuldigte Syreena ihn tieftraurig, während ihr die Tränen in die Augen traten. »Sie hat schon immer besser zu dir gepasst als ich. Du hättest Jasmine heiraten sollen. Alle sagen das. Alle denken das!«
»Niemand sagt das«, wehrte er sanft ab, obwohl in Vampirkreisen tatsächlich darüber gemunkelt wurde. »Und selbst wenn sie es täten, wäre es mir egal. Du bedeutest mir alles. Ich liebe nur dich. Solange ich dich habe, brauche ich nichts anderes. Ich wünschte, du würdest mir glauben.«
Doch Jasmine wusste, dass Syreena ihm nicht glaubte. Wenn sie ihm geglaubt hätte, wäre Ruth vielleicht nicht in der Lage gewesen, Syreenas Geist zu schwächen und sie mit den Kindern, die sie nicht bekommen konnte, zu quälen. Fairerweise musste Jasmine allerdings zugeben, dass Syreena und Damien früher sehr glücklich, stark und zufrieden gewesen waren, trotz der Unfruchtbarkeit der Prinzessin. Sie hatten den Eindruck gemacht, als liebten sie sich genug, um über diesen Verlust hinwegzukommen, und dass sie sich selbst genügten.
Jasmine verließ das Paar. Es tat einfach zu weh, sie so zu sehen. In dem Bedürfnis, für eine Weile zu fliehen, verließ sie die rumänische Festung und reiste in die russischen Provinzen zu den Lykanthropen. Es gab einen Grund, weshalb sie von diesen Höhlen immer wieder aufs Neue angezogen wurde. Sie fragte sich selbst zum tausendsten Mal, warum sie dort war, warum es ihr so wichtig war, nach dem kleinen Waisenmädchen zu sehen, das sie in einer ähnlichen Höhle vor so langer Zeit gerettet hatte.
Sie hatte jetzt genauso wenig eine Antwort darauf wie zuvor.
Jasmine machte sich auf den Weg zu Leah.
»Mama, hast du Vater gesehen?«
Legna blickte ihren Sohn an und versuchte ihre Überraschung zu verbergen. Es war ungewöhnlich, dass er freiwillig nach seinem Vater suchte, und Unterrichtszeit war auch nicht.
»Er ist im Südflügel. Direkt hinter den Bädern. Was ist denn los?«
»Ach, ich wollte ihn etwas fragen.« Seth zuckte mit den Schultern, doch als Geistdämon konnte sich Legna sehr gut einfühlen, konnte den Gefühlen ihres Sohns nachspüren. Dafür war sie dankbar, weil es die einzige Möglichkeit war, herauszufinden, was in seinem Kopf vorging. Seit er in die Pubertät gekommen war, war er ihr fremd geworden – und seinem Vater gegenüber sogar feindselig.
Sie musste Gideons Geduld mit dem Jungen Anerkennung zollen. Gideon war geradeheraus in seiner Art und hielt nichts von Gefühlsduseleien. Es war nicht so, dass er kein fürsorglicher und liebender Vater gewesen wäre. Das war er sehr wohl, und er versuchte es so gut wie möglich zu zeigen. Als Gideons Gemahlin wusste sie sehr gut, wie liebevoll und leidenschaftlich ein Mann wie Gideon in Wahrheit sein konnte. Und ihr gegenüber hielt er sich auch nicht zurück.
Doch als Seth zehn Jahre alt geworden war, hatten die beiden den Draht zueinander verloren. Seth wies die Aufmerksamkeit und Zuneigung seines Vaters zurück … und jetzt hatten sie nur noch Kontakt durch den täglichen Unterricht. Es stellte Gideon vor ein unlösbares Rätsel. Er war der Älteste und ein Weiser, lebte schon viele Jahrhunderte lang und hatte so viel erlebt, doch er war noch nie Vater gewesen, und es machte ihn ratlos. Er wollte direkt sein, die Probleme sofort angehen, doch zum Glück hatte Legna ihn davon überzeugen können, dass das keine gute Idee war. Seth war sehr sensibel, sogar ein wenig grüblerisch. Er wollte die Dinge auf seine Weise und in seinem eigenen Rhythmus angehen. Am besten war es, ihn einfach gewähren zu lassen, ohne ihn zu etwas zu zwingen oder ihn herauszufordern, bevor er so weit war.
»Bestimmt ist er liebend gern bereit, deine Fragen zu beantworten«, sagte sie, während sie vom Backen aufsah und sich die Hände abwischte.
»Ja. Ich weiß. Er lässt keine Gelegenheit aus, einen zu belehren«, sagte Seth und erschrak beinahe beim schneidenden Klang seiner Worte.
»Dein Vater liebt es, dich zu unterrichten. Er will dich auf die Welt und auf die Zukunft vorbereiten. Er tut das, um dich zu beschützen. Es
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