Schattenwandler: Adam (German Edition)
unerklärliche Verschwinden eines Dämons ist nicht so ungewöhnlich. Nur dass es vielleicht mehr auffällt, wenn es ein hochstehendes Mitglied unserer Gesellschaft ist.«
»Ich wette, ein Vollstrecker wie Adam hätte Ruth längst geschnappt und vernichtet«, sagte Leah bitter, während sie die Fäuste ballte vor Zorn.
»Diese Äußerung ist durchaus berechtigt«, sagte Gideon nachdenklich. »Dein Vater war mit anderen Dingen beschäftigt, während Ruth immer mächtiger und zerstörerischer wurde. Adam war auf seine Art viel hartnäckiger. Er hätte jedes Risiko auf sich genommen, um siegreich zu sein.«
»Glaubst du, er war besser als Daddy?«, fragte sie leise.
Gideon schüttelte den Kopf. »Jacob hatte die Weisheit, das Alter und die Fähigkeiten, die damit einhergehen. Es hat nie einen besseren Vollstrecker gegeben als deinen Vater, Leah.« Er atmete tief ein. »Aber ich würde mich nur ungern auf eine Seite schlagen in einem Kopf-an-Kopf-Rennen von zwei Brüdern.«
Leah verließ eilig Gideons und Legnas Räume, während Seth hinter ihr herlief.
»Ich weiß, was du vorhast!«
Leah fuhr herum und starrte Seth wütend an, damit er still war. Sie packte ihn am Hemd und zerrte ihn in eine Nische in der Nähe, damit ihr Gespräch nicht in den Höhlen widerhallte.
»Du weißt gar nichts! Halt einfach den Mund!«
»Du bist verrückt, Leah. Du hast gar nicht die Fähigkeit dazu. Was heißt das schon, dass du einmal in deinem Leben zufällig durch die Zeit gereist bist? Du warst erst zwei Jahre alt! Es war ein totaler Zufall. Was hast du denn seitdem zustande gebracht? Eine Stoppuhr um fünf Minuten vorzustellen?«, spottete Seth über die Heldentat. »Meine Damen und Herren, das großartige und beeindruckende Kind der Zeit!«
»Du weißt gar nichts!«, fauchte sie ihn abermals an. »Ich habe die Nase voll davon, dass du so ein Schlaumeier bist und dass du so gemein zu mir bist, weil ich besondere Fähigkeiten habe und du nicht. Meine Damen und Herren, das großartige und beeindruckende Kind des Raums, herrje, was kannst du denn schon, außer zu winseln wie ein dummes Balg?«
»Halt den Mund! Warum lässt du es nicht endlich sein, Leah? Deinen Eltern wurde übel mitgespielt, und jetzt sind sie tot. Tot, tot, tot! Und du kannst es nicht ändern!«
Leah holte aus und schlug ihn direkt auf den Mund. Die Aktion schockierte sie beide. Leah hielt sich die brennende Hand und Seth fasste sich an die geschwollene Lippe. Leahs Augen brannten, und sie hätte am liebsten geweint. Sie konnte die schmerzhaften Gefühle nicht in Schach halten, die sie übermannten. Doch sie gönnte Seth die Genugtuung nicht, sie verletzt zu sehen, also rannte sie los. Sie rannte, bis sie den Weg nicht mehr sehen und bis sie nicht mehr atmen konnte. Endlich hielt sie bei einem unterirdischen Wasserbecken inne, einem von vielen im Schloss und in den Höhlen. Sie kniete sich hin, schöpfte mit der hohlen Hand etwas von dem stets kalten Wasser und spritzte es sich ins Gesicht. Langsam fasste sie sich wieder und unterdrückte ihr Schluchzen, bis es nur noch ein Schniefen war. Sie wischte sich über die Augen, blinzelte und blickte auf zu einer schönen Brünetten, die neben ihr stand. Das offene Haar, das ihr über die Schultern fiel wie ein Cape, erinnerte Leah an ihre Mutter. Ihre Beine steckten in einer glänzenden Strumpfhose aus blickdichtem Weiß, dazu trug sie einen schwarzen Minirock, der kaum ihren Hintern bedeckte. Unter dem kurzen marineblauen Trägerhemd sah ihr gepiercter Bauchnabel hervor. Das Auffälligste an ihrer Aufmachung waren allerdings die Stiefel. Sie waren aus weichem schwarzem Leder mit Messingknöpfen, die an der Rückseite ihrer Beine in einer schönen gleichmäßigen Linie bis zu den Oberschenkeln hinaufstiegen. Es war, als würden sie allein ihre Anwesenheit vermelden und sagen, dass sie viel zu elegant war, um sich mit ihr abzugeben.
Leah hatte sie in den letzten zehn Jahren immer nur von Weitem gesehen, doch sie vergaß nie, wer die Vampirin war. Es ärgerte Leah, dass Jasmine sie so sah. So schwach und außer sich. Sie wusste nicht, warum das eine Rolle spielen sollte, doch es war so.
Sie stand auf und trat vor die Vampirin, während sie ihr eigenes schlichtes T-Shirt über ihrer Lieblingsjeans glatt strich. Doch sie hatte immer noch das Gefühl, dass es nicht genügte. Als müsste sie etwas Besseres tragen. Als müsste sie etwas Besseres sein. Etwas, was Seth jeden Tag empfand, wenn er im Schatten seines
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