Schattenwandler: Adam (German Edition)
kaltes Lächeln, und es jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken. Ein so junges Wesen durfte niemals einen solchen Ausdruck haben, ganz gleich, wie hart das Leben auch sein mochte.
»Die Gefahr droht nicht dir, Adam, sondern deinem Bruder.«
Adam stieß scharf den Atem aus.
»Du wagst es, meinem Bruder zu drohen?«, fauchte er und packte sie grob am Arm.
»Ich versuche nur, dich vor der Zukunft zu warnen«, entgegnete sie, und ihre plötzliche Wut verlieh ihr eine Lebendigkeit, die in ihrem scheuen Gebaren vorher nicht da gewesen war. »Dein Bruder wird durch die Hand eines Verräters sterben. Jemand wird ihn töten, während er sich abwendet und seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtet. Du hingegen wirst nicht zur Stelle sein, wenn er dich am meisten braucht. Warum, Adam, ältester Sohn? Vielleicht weil du nicht auf ein einfaches Mädchen gehört hast, das nur helfen wollte!«
Sie riss sich mit erstaunlicher Kraft von ihm los und wandte sich zum Gehen. Adam wollte nicht auf einen solchen Trick hereinfallen, obwohl die Zigeuner für ihre starken Vorahnungen bekannt waren. Doch es gab welche, die sich für Hexen hielten, sich der schwarzen Magie zuwandten und sie tatsächlich einsetzten.
Doch trotz seiner Befürchtungen und seiner Zweifel, was den Ursprung ihrer Weissagung betraf, hatte sie ihn an seiner verwundbarsten Stelle getroffen.
Jacob.
Jacob war sein Ein und Alles. Wichtiger noch, er war das Ein und Alles seiner Eltern. Wenn ihm etwas zustoßen würde, wäre das ein schwerer Schlag für ihre Familie.
»Nehmen wir einmal an, ich glaube dir«, sagte er plötzlich, um sie davon abzuhalten, zu gehen. »Was soll ich dann tun? Jacob kann sich viel besser schützen, als ein kleines Mädchen wie du sich vorstellen kann. So leicht würde er nicht sterben.«
»Ich kann mir mehr vorstellen, als du denkst. Trotzdem hast du recht. Jacob kann sich sehr gut selbst schützen.«
»Also …«
»Aber«, unterbrach sie ihn, »sagen wir, es geht nicht um ihn. Was, wenn er sich in Gefahr begibt für die Familie, die er liebt?«
Wie Adam erschrocken feststellen musste, klang das sehr nach Jacob, und es lag durchaus im Bereich des Möglichen. Adams Bruder würde sein Leben sofort für seine Familie geben, wenn er keine andere Wahl hätte.
»Ich habe genug von deinen kryptischen Geschichten«, blaffte Adam sie an, doch sein heftiger Ausbruch verlor seine Schärfe, als er sich nach seinem Bruder umsah, der aus seinem Sichtfeld verschwunden war. »Wann soll diese gefährliche Situation stattfinden? Jemand mit so viel Einblick kann mir das bestimmt sagen.«
»Es passiert heute. Oder morgen. Wann immer du willst, dass es passiert.«
Adam war jetzt mit seiner Geduld am Ende. Seine Hand schoss vor und schloss sich um ihren zarten Hals, und er zog sie in die Dunkelheit zurück. Sie prallte mit dem Rücken gegen den Stamm einer riesigen Eiche, doch ihr Herzschlag veränderte sich kaum, und sie gab trotz der groben Behandlung keinen Laut von sich. Er beugte sich ganz nah zu ihrem Ohr hinunter und benutzte seinen massigen Oberkörper, um sie einzuklemmen.
»Ich habe genug von deinen Spielchen, Kleine. Du verrätst mir jetzt, wie und wann ich meinen Bruder beschützen kann, und zwar auf der Stelle.«
Das Zigeunermädchen warf ihm in der Dunkelheit einen feindseligen Blick zu, als sich plötzlich das Mondlicht in seinen Augen spiegelte. Zum ersten Mal bemerkte er, dass sie von einem wunderschönen Violett waren.
»Willst du dein Leben für ihn geben? Bist du bereit, alles zu opfern, was dir lieb und teuer ist, um das Leben deines Bruders zu retten?«, fragte sie ihn herausfordernd.
»Sag es mir!«
»Beantworte meine Frage, oder töte mich, Adam! Du hast die Wahl.«
Sie hatte immer noch die Oberhand, wie er feststellte. Obwohl er ihr Leben in der Hand hatte, gab ihr die scheinbare Unfähigkeit, in dieser Situation Furcht zu empfinden, Macht über ihn und drängte ihn in die Defensive. Adam erkannte, dass er keine andere Wahl hatte, als auf ihre Forderungen einzugehen.
»Ja, das würde ich«, zischte er. »Ich würde alles opfern, was ich auf der Welt habe, um meinen Bruder zu retten.«
»Jetzt sofort und ganz unvorbereitet? Ohne Abschied? Ohne das Versprechen, dass du nicht mit ihm sterben wirst?«
»Ich habe Ja gesagt! Und jetzt sag mir, was du weißt!«
»Ich zeige es dir lieber«, flüsterte sie schnell.
Ihre Hände schossen plötzlich vor gegen seine Brust. Als sie mit ihm in Verbindung trat, spürte
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