Schattenwandler: Adam (German Edition)
Verachtung zu ihm sprach.
Doch das Mädchen war verschwunden. Und auch wieder nicht. Es war noch nicht einmal volljährig, wenn er richtig verstand. Warum hatte es das getan? Er ging in Gedanken alles durch, was sie zu ihm gesagt hatte, alles, was er inzwischen wusste. Sie hatte ihn in einem Moment an einen Ort gebracht, der wahrscheinlich den Tod seines Bruders, den Tod von Leahs Vater, bedeutet hätte, wäre er nicht genau dann aufgetaucht.
Seine Nichte. Er hatte eine Nichte. Mit Namen Leah. Und diese Nichte hatte gerade sein Leben auf den Kopf gestellt. Hatte sie ihm nicht die entscheidende Frage gestellt? Hatte sie ihn nicht gefragt, ob er bereit sei, für Jacob alles aufzugeben? Alles zu opfern, was ihm lieb und teuer war?
Seine Antwort war Ja gewesen, ohne dass er eigentlich wusste, was es tatsächlich bedeutete. Doch wenn alles vorüber war, selbst wenn er herausfand, dass Damien, der Vampirprinz, Noahs bester Freund auf der Welt war, spielte es keine Rolle. Er würde es hinnehmen. Er würde es so hinnehmen, solange es bedeutete, dass er Jacob beistehen konnte, wenn dieser ihn am dringendsten brauchte.
Jacob. Als Vollstrecker? Es hatte zuvor nie mehr als einen Vollstrecker gegeben. Jetzt gab es zwei. Der zweite war eine Menschenfrau, die außerdem die Frau seines Bruders war. Jacob hatte recht. Für ihn war kein Platz hier. Es war die Zeit seines Bruders. Es war sein Schicksal.
Was blieb dann für Adam?
Er schob den selbstmitleidigen Gedanken beiseite. Darum ging es nicht, dachte er entschieden. Er definierte sich nicht über seine Rolle als Vollstrecker. Er war eine einflussreiche und wichtige Figur für sein Volk gewesen, lange bevor man ihm den Mantel des Vollstreckers überreicht hatte, und das würde er wieder sein. Egal, was passierte, sobald dieses Kind der Zeit sein Spiel mit ihm beendet hatte, würde er so lange eine wichtige Rolle einnehmen, wie Leben in seinem Körper war.
Das Geräusch von Schritten auf dem Kies holte ihn aus seinen Gedanken. Auf einmal starrte Adam in sinnliche samtbraune Augen. Die wunderschöne Vampirin war vollständig bekleidet, doch Adam stockte genauso der Atem bei ihrem Anblick wie damals, als sie nackt vor ihm gestanden hatte. Sie trug eine Kniehose und Stiefel, die sich wie eine zweite Haut um ihre Beine schmiegten. Sie trug eine Art Bluse, die ihre Brüste nur knapp bedeckte und die so eng anlag, dass man ihre Brustwarzen erkennen konnte, deren Malvenfarbe ihm augenblicklich wieder einfiel. Um die schmale Taille war sie nackt, bis auf eine exotische Kette aus Silber und Amethyst, die um ihren Bauch lag und die durch einen Ring führte, der in ihren Bauchnabel gepierct war.
Als sie so vor ihm stand, stolz und schöner denn je, bemerkte er, dass sie ihr Haar ein wenig kürzer trug als damals. Sie hatte die lockige schwarze Mähne auf etwas mehr als Schulterlänge gekürzt. Eine Schande, dachte er. Es war großartig gewesen, wie es ihr nass über den bloßen Rücken gehangen hatte. Obwohl er zugeben musste, dass es auch so attraktiv war.
»Sieh an«, murmelte Jasmine belustigt. »Wenn das nicht der heimlich spionierende Dämon ist. Adam, nicht wahr?« Sie lachte, erfreut darüber, dass sie sich nach so langer Zeit an seinen Namen erinnerte. Doch sie hatte die kurzen Begegnungen mit ihm nicht vergessen. Die Begegnungen mit ihm gehörten zu den Erinnerungen, die offenbar über die Jahre an ihr kleben geblieben waren. Immer wieder war sie von den Erinnerungen eingeholt worden, übermannt von einer merkwürdigen Sehnsucht, die sie sich selbst nicht erklären konnte. Schließlich war es doch nur Spaß gewesen. Eine Neckerei. Sie hatte schon oft auf diese Weise Männer gereizt.
Doch er hatte am meisten Eindruck auf sie gemacht. Die Erinnerung war in vierhundert Jahren nicht verblasst, und sie hatte sich mehr als einmal gefragt, wohin er entschwunden war. Sie erinnerte sich auch an sein nervöses Verhalten ihr gegenüber, doch während sie ihre Opfer in letzter Zeit eher bedauernswert fand, hatte sie sich nie so respektlos an ihn erinnert.
Witzig war, dass er fast noch genauso aussah wie damals, von den wirren Locken seines langen schwarzen Haars bis zu dem blank gewetzten und abgetragenen Leder seiner Stiefel, die bis zu seinen kräftigen Oberschenkeln reichten. Es war, als blickte man durch eine Tür in die Vergangenheit. Er trug auch noch immer ein Schwert. Der Dolch, dessen Scheide leer an seiner Hüfte hing, fehlte wieder einmal.
»Bist du mir all die Jahre aus
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