Schattenwende
das sie nicht richtig greifen konnte.
Daphne fühlte sich, als hätte man ihr mit der bloßen Faust mitten ins Gesicht geschlagen. Sie taumelte zurück und starrte Reagan mit aufgerissenen Augen an, das Gesicht schreckensbleich. Ein dicker Kloß, den sie nicht herunterschlucken konnte, nistete sich in ihrer Kehle ein und raubte ihr die Luft zum Atmen.
Der altbekannte Schmerz, der in den letzten Tagen auf ein erträgliches Maß zusammengeschrumpft war, kehrte nun mit doppelter Kraft zurück und tobte in ihrer Brust.
Sie konnte einfach nicht glauben, dass jemand, dem sie vertrauen wollte , ihr so etwas unterstellte. Sie hatte versucht, der Gemeinschaft zu helfen, ihr die wenigen Mittel zu schenken, die ihr zur Verfügung standen – und dafür wurde sie nun so bestraft.
In der flehenden Hoffnung, er würde seine grausame Rede zurücknehmen und sich entschuldigen, glitt ihr Blick zu seinen Augen. Nichts. Keine Reue, keine Zerknirschung. Brutale Härte.
Etwas in ihrem Inneren zerbrach. Ein immenser Riss zog sich durch ihre Seele, zersplitterte sie in tausend winzige Teile. Oder war es ihr Herz, das zersprang? Sie hätte sich gewünscht, dieser Bruch irgendwo tief in ihr drinnen würde laut aufschreiend, gewaltig brüllend, grell schrillend, erbärmlich stöhnend die Ungerechtigkeit kundtun, die Reagan ihr angetanhatte. Es wollte sie zu Boden ziehen, auf die Knie, so schwer wogen die Scherben in ihrem Inneren. Sie wollte die Arme um sich schlingen, um all das Zerbrochene beieinander zu halten, damit sie sich nicht einfach in Luft auflöste. Doch der tiefste Schmerz, die quälendste aller Qualen machte sich niemals äußerlich bemerkbar. Es gab nichts Körperliches, was von einem gebrochenen Herzen künden konnte.
Daphne war allein mit der tonnenschweren Last in ihrem Inneren.
Mit zitternden Fingern suchte sie nach dem Türgriff und umschloss das kühle Metall Halt suchend.
Nichts. Absolut nichts.
Mit einem Schluchzen, das ihr Inneres schier auseinanderbrechen wollte, schlüpfte sie aus dem Raum und rannte fort.
Fort. Fort. Fort. Nur fort von ihm.
Kapitel 11
Es ist nicht nur die Gerechtigkeit, die uns zu Kriegen verführt. Der Durst nach Vergeltung ist nur ein Grund, etwas in Gang zu setzen, dessen Ausmaß man nie kalkulieren kann. Einen Kampf zu beginnen, dessen Ende niemand vorhersehen kann.
Manchmal kämpft man auch, um zu beschützen. Manchmal kämpft man für die Person, für die man liebt. Den meisten ist das nicht bewusst, aber Liebe ist so viel stärker als Rache.
Sie bringt einen dazu, noch härter zu kämpfen.
Damir, Krieger der Shadowfall
Ein alles verzehrender Hunger erweckte ihn.
Gorh hatte so furchtbaren Hunger. Sein Magen schmerzte und die spitzen Zähne, die über seine Lippen kratzten, als er die Lefzen hochzog, um ein tiefes, grollendes Knurren von sich zu geben, schabten über die bereits aufgekratzten Stellen, und er leckte sein eigenes Blut ab. Sobald er den metallenen Geschmack auf seiner Zunge spürte, glühte es vor seinen Augen rot auf und er warf sich herum, mit solcher Kraft, dass der harte Untergrund, auf dem er festgeschnallt war, bedrohlich ins Wanken geriet. Sein gieriger Blick wurde messerscharf und registrierte jede Bewegung, egal wie winzig und unauffällig oder wie weit entfernt sie war. Und er hörte Herzschläge. Verlockend und süß rauschte das Blut, das er so begehrte, durch Venen, angetrieben von flatternden Herzen. So leicht konnte man sie zum Stillstand bringen … Wenn er doch nur frei käme …
Mit jedem Herzschlag steigerte sich seine Gier und er brüllte frustriert auf.
Die Menschen, die aufgeregt wie ein Ameisenhaufen um ihn herum wuselten, waren so weit weg. Zu weit, um während einer flüchtigen Unachtsamkeit nach ihnen zu schnappen. Er war doch gelenkig. Gelenkig und schnell und flink und niemand könnte seinen tödlichen Klauen entkommen, wenn er seine Nahrung erst einmal gepackt hatte.
Oh … welch eine Qual! Dieser verführerische Duft, der direkt in seine empfindliche Nase strömte und ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
Gorh wehrte sich heftiger gegen die einengenden Eisenketten, die seinen Körper festhielten. Wenn er doch wenigstens eine einzige Hand frei hätte. Er würde sich die Frau da schnappen, die mit den blonden Haaren und dem puppenhaften Gesicht, sie roch besonders köstlich. Unschuldig. Er würde sie an sich zerren und ihre Kehle aufreißen und sich an ihrem Lebenssaft laben. Und bevor sie in seinen starken Armen starb,
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